Hundert Namen: Roman (German Edition)
einander wortlos an.
»Lass uns das später ausdiskutieren«, sagte Jedrek schließlich und wandte sich wieder an Kitty. »Also, werden Sie über uns berichten, Miss Logan?«
Kitty sah Tom, den Fotografen, an. Der steckte sich gerade ein Kirschtörtchen in den Mund und hielt bereits Ausschau nach weiteren Leckereien. Kitty war nicht sicher, ob er auch nur ein Wort von dem Gespräch mitbekam.
»Lassen Sie mich sehen, ob ich das richtig verstehe«, sagte sie schließlich. »Sie sind beide arbeitslose Flugzeugingenieure, die vor drei Jahren ihre Stelle verloren haben. Und weil Sie bislang keine Arbeit finden konnten, wollen Sie versuchen, einen Guinness-Weltrekord im Tretbootfahren über einhundert Meter aufzustellen?« Sie sah vom einem zum anderen.
»Ja, das ist korrekt«, antwortete Jedrek feierlich.
Kitty fing an zu lachen.
»Ich wusste, dass sie uns nicht ernst nehmen würde.« Verärgert stand Achar auf.
»Nein! Warten Sie! Entschuldigen Sie, dass ich gelacht habe. Das haben Sie missverstanden. Ich lache, weil ich mich freue und weil ich gespannt bin, erleichtert«, grinste sie. »Natürlich möchte ich über Sie beide schreiben.«
»Wirklich?«, fragte Achar überrascht.
»Außerdem finde ich, Sie sollten es diese Woche versuchen, und zwar in Cork.«
»Ich hab’s dir doch gesagt.« Achar sah Jedrek an, der allerdings nicht ganz überzeugt wirkte. »Was ist los, Jedrek? Genau das hast du dir doch erhofft.«
Mit zusammengekniffenen Augen sah er Kitty an. »Miss Logan sagt, sie hat unsere Pressemitteilung nicht bekommen, und sie ist aus einem anderen Grund hier. Ehe ich zustimme, dass sie über uns schreibt, möchte ich gern erfahren, was sie eigentlich hierhergeführt hat.«
Jedrek beobachtete die junge Journalistin vom Sitz des Tretboots aus. Sie war eine von zwei Vertreterinnen ihrer Branche, die sich die Mühe gemacht hatten, bei der Pressekonferenz zu erscheinen – obwohl er und Achar an fast alle Publikationen, Radiosender und Fernsehstationen in ganz Irland eine Mitteilung verschickt hatten. Und nun stand diese Frau am Ufer des Malahide Estuary, verscheuchte die Schwäne, die sie um Brot anbettelten, und redete ziemlich aufgeregt in ihr Handy.
»Was denkst du?«, fragte Achar und sah seinen Freund an. »Sie scheint sich jedenfalls für uns zu interessieren.«
»Ja«, antwortete Jedrek zerstreut. Dem Klang des Gesprächs hatte er entnommen, dass die Journalistin mit ihrem Chef diskutierte, und er fand, dass das kein gutes Zeichen war. Aber er wollte nicht, dass Achar sich Sorgen machte. Die junge Frau ereiferte sich ziemlich, um klarzumachen, dass sie keinesfalls gewillt war, eine bestimmte Information vor Freitag herauszurücken – keine Minute früher! Jedrek gefiel es, dass die junge Frau so viel Einsatz zeigte, und es war ja auch Zeit, dass sich endlich einmal etwas so entwickelte, wie er und Achar es sich wünschten, aber es war ihr auch anzusehen, dass sie nicht nur für ihn und Achar kämpfte.
Achar sah Jedrek unruhig an. »Sie möchte, dass wir den Rekord Ende dieser Woche brechen. Schaffen wir das in drei Tagen?«
»Achar, wir sind mehr als bereit. Wie lange trainieren wir denn schon, mein Freund?«
»Neun Monate.«
»Und wie viele Tage pro Woche?«
»Fünf.«
»Genau. Haben wir uns von Wind oder Regen, von Eis oder Hagelstürmen jemals abhalten lassen?«
»Nein, Jedrek.«
»Sogar wenn wir krank waren, haben wir trainiert. Ich weiß noch, wie wir beide die Grippe hatten, Husten und Fieber und trotzdem hier draußen im Boot saßen. Jeden freien Moment haben wir trainiert. Unsere Familie, unsere Freunde, die Jungs im Pub und im Club, der Segelclub, alle unterstützen uns. Wir sind bereit dafür, Achar.«
»Ja, Jedrek.« Achar richtete sich auf, straffte die Schultern und schien auf einmal mehrere Zentimeter zu wachsen.
Auf diese Weise konnte man Achar sehr leicht aufmuntern, und Jedrek war ein guter Motivationsredner, das war er schon den ganzen kalten Winter lang gewesen, jedes Mal, wenn sie an ihrem Ziel gezweifelt hatten, und auch, als das Tretboot, mit dem sie trainiert hatten, von einer Teenager-Gang völlig zerstört worden war. Jedrek hatte Spenden eingetrieben, bis sie genug Geld für die Reparatur zusammenhatten, und obwohl der Zwischenfall sie drei Wochen zurückgeworfen hatte, hatten sie es geschafft.
Jedrek wusste, dass ihr Projekt für viele Leute lächerlich, wenn nicht sogar absurd wirkte, aber es bedeutete ihnen viel mehr, als an der Oberfläche zu erkennen
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