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Hundert Namen: Roman (German Edition)

Hundert Namen: Roman (German Edition)

Titel: Hundert Namen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecelia Ahern
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war. Seit drei Jahren hatte Jedrek nun schon keine richtige Arbeit mehr. Davor hatte er als gelernter Ingenieur seine Familie – seine Frau und die drei Kinder – gut und ehrlich ernährt, er hatte seinen Job geliebt, war gut mit seinen Kollegen zurechtgekommen und hatte sich in seiner Rolle als Versorger wohlgefühlt. Es war für ihn eine Pflicht, die er gern und gut erfüllte. Aber als ihm diese Pflicht genommen wurde, hatte er seine Tatkraft verloren und mit ihr das Gefühl für seine Identität. Während er eine Woche um die andere erfolglos nach Arbeit fahndete, fühlte er sich nutzlos, eine Enttäuschung für die Familie. Es dauerte eine ganze Weile, bis er begriff, dass es schlicht aussichtslos war, in seiner Branche zu suchen. Als es ihm endlich klarwurde, verfiel er in eine tiefe Depression, die er jedoch nicht wahrhaben wollte. Jedes Mal, wenn jemand eine entsprechende Bemerkung machte, reagierte er mit einem Wutausbruch. In dieser Zeit war es nicht einfach gewesen, mit ihm zusammenzuleben, er war launisch, reizbar, streitlustig, besessen von dem Gefühl, die ganze Welt zum Feind zu haben, überempfindlich gegen jedes falsche Wort, jedes Problem. Aber die ganze Zeit suchte er nach seiner Rolle, nach irgendeiner maßgeblichen Position in der Familie.
    Irgendwann schlug ein Bekannter ganz unschuldig vor, er könnte doch nach Polen zurückgehen. Ganz offensichtlich war diesem Mann nicht klar, dass Jedrek in Irland zu Hause war: Er lebte seit vierzehn Jahren hier, seine drei Kinder waren hier geboren, sie hatten einen irischen Pass und sprachen sogar mit irischem Akzent. Sie gingen hier zur Schule, hatten hier ihre Freunde, ihr ganzes Leben spielte sich in Dublin ab. Polen war für sie alle nicht mehr die Heimat, und auch ein großer Teil von Jedreks Familie war ausgewandert. Sein Bruder lebte in Paris, seine Schwester in New York, seine Eltern waren gestorben, und so gab es in Polen für sie keine Anlaufstelle mehr, nur seine und Alenkas Erinnerungen, die sie so inbrünstig in Erzählungen und bei jährlichen Sommerurlauben in Polen an die Kinder zu vermitteln versuchten. Aber mit dreizehn hatte ihr ältester Sohn inzwischen keine Lust mehr zu einer erzwungenen Pilgerreise an einen Ort, mit dem ihn nichts verband und der ihn nicht wirklich interessierte. Die letzten drei Jahre hatten sie sich den Flug sowieso nicht leisten können, so dass der Familienurlaub ausgefallen und damit auch das Bemühen um eine Verbindung zu ihren polnischen Wurzeln langsam verlorengegangen war.
    Am ersten arbeitslosen Weihnachten hatte Jedrek im Supermarkt Waren in die Regale geräumt. Er hatte sich geschämt und niemandem davon erzählt, war aber ein wenig erleichtert gewesen, als er herausfand, dass er Seite an Seite mit einem angesehenen Architekten arbeitete, der genau wie er seinen Stolz hinuntergeschluckt hatte, weil er zu den Überzeugung gekommen war, dass die Versorgung seiner Familie das Hauptziel war und nicht der Job als solcher. Das hatte ein bisschen Licht in seine Situation gebracht, aber zuzusehen, wie seine Frau in einem wohlhabenden Viertel bei fremden Leuten putzen ging und ihnen die Wäsche machte, hatte ihm ein so schlechtes Gewissen gemacht, dass sogar ihre Ehe darunter gelitten hatte. Seine Frau war ein sehr geduldiger Mensch, aber manchmal verlor selbst sie die Geduld. Es gab schlechte Tage, an denen das Überleben ihrer Ehe an einem seidenen Faden zu hängen schien.
    Seit dem Job im Supermarkt hatte Jedrek mal hier und mal dort Arbeit gefunden – er war Lieferwagen gefahren und hatte Möbel geschleppt, aber nichts davon war von Dauer, nichts davon erlaubte ihm, seine Fähigkeiten und sein Wissen einzusetzen oder auch nur einmal in dem Bewusstsein, dass seine Familie einigermaßen sicher war, tief Luft zu holen. Aber vor neun Monaten hatte er im Erin’s Isle Football Club seinen Freund Achar wiedergetroffen, und da hatte sich irgendetwas in ihm verändert – der scheinbar erloschene Funke war wieder aufgeflammt.
    Achar war bei SR Technics sein Kollege gewesen, und als sie sich wiedersahen, war es für Jedrek, als würde ein Teil von ihm wieder lebendig. Aus zweierlei Gründen. Erstens entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den beiden Familien, was für alle Beteiligten sehr wohltuend war. Die Kinder waren in einem ähnlichen Alter und spielten gern zusammen, die Frauen verstanden sich gut, und Unternehmungen machten gemeinsam viel mehr Spaß. Dazu kam noch, dass Jedrek endlich jemanden zum

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