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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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täte es ihm wirklich leid. Eher, als registriere er, daß ich vielleicht zu den Leuten in der Klinik gehöre, die man nicht unbedingt informieren müsse. Immerhin besaß er die Freundlichkeit, mich ins Bild zu setzen.

    »Ich komme aus dem Irak, bin Internist mit abgeschlossener Ausbildung. Die klinischen Semester habe ich in Köln studiert. Nun bin ich über ein Programm der GTZ hier, um mich an Ihrer Klinik in der Nierenheilkunde fortzubilden, insbesondere in der Dialysetechnik.«

    »Wer ist GTZ?«

    »Das ist die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit. Die unterstützt Projekte in der Entwicklungshilfe.« Irgendwie war ich zur Zeit auf Leute aus dem Irak nicht gut zu sprechen, schon gar nicht, wenn sie so selbstbewußt auftraten wie dieser junge Mann hier. Ich griff zum Telefon und fragte bei unserer Verwaltungsleiterin nach.

    »Mensch, Felix, das habe ich gestern vollkommen verschwitzt, wegen der Beerdigung und allem. Entschuldige. Der Typ soll gut deutsch sprechen und eine abgeschlossene Ausbildung haben, die Unterlagen liegen hier irgendwo. Er wird von so einem Programm aus dem Auswärtigem Amt finanziert, kostet uns keinen Pfennig und kann euch doch bestimmt entlasten. Setz ihn einfach irgendwie sinnvoll ein. Wir sehen uns nachher, okay?«

    Celines Freundin oder nicht, als Verwaltungsleiterin ließ sich auch Beate einen kostenlosen Doktor nicht entgehen. Mein Problem, wie ich dafür sorgte, daß uns Dr. Hassan nicht dauernd auf den Füßen stand und bei der Arbeit aufhielt. Ich erhob mich.

    »Gut, Herr Kollege. Ich bringe Sie hinüber zur Nephrologie und stelle Sie dort vor. Im übrigen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mein Dienstzimmer nur betreten, wenn ich Sie darum bitte.«

    Und ich nahm mir vor, mein Zimmer in Zukunft abzuschließen. Keine große Sache. Sobald die Vital-Leute einen Chefarzt für die Innere gefunden hatten, mußte ich hier sowieso raus.

    Nachdem ich unseren neuen Gastarzt auf der Dialyse abgegeben hatte, saß ich rum und wartete auf Professor Kleinweg, unseren kommissarischen Chefarzt, und seine wöchentliche Visite. Wie jeder Donnerstag fand auch dieser die Betten frisch bezogen und die Patienten in gespannter Erwartung, endlich eine kompetente Meinung zu hören. Kleinweg war im Grunde kein schlechter Kerl, spielte sich uns gegenüber nie als Chefarzt auf. Ihm war klar, daß er in der Humana-Klinik nur vorübergehend den Chefarzt-Darsteller gab, und er war dankbar, wenn ich ihn nicht mit wirklichen administrativen oder medizinischen Problemen belästigte und er seine »große Chefvisite« schnell durchziehen konnte. Dazu hatten wir ein einfaches System entwickelt, das sich auch heute bewährte.

    Erster Patient war Herr Schubert, letzte Woche zwei Tage vor Kleinwegs Visite mit einem schweren Asthmaanfall aufgenommen.

    »Gerade noch rechtzeitig, keine Minute zu früh«, wie ihm Kleinweg versichert hatte.

    Ein absoluter Routinepatient: vorübergehende Erhöhung seiner Asthmamedikation, ein paar Tage Infektbehandlung. Für den nächsten Tag stand die Entlassung an.

    Vor dem Zimmer erinnerte ich Kleinweg in kurzen Worten an den Fall.

    »Erstes Bett links, Herr Schubert. Infektexacerbiertes Asthma, Sie haben ihn letzte Woche gesehen. Alles in Ordnung, morgen Entlassung.«

    Vor Schuberts Bett hörte sich das dann etwas anders an.

    Ich: »Sie erinnern sich an Herrn Schubert, Herr Professor?«

    Kleinweg: »Natürlich erinnere ich mich an Herrn Schubert.

    Schwerster Asthmaanfall, gerade noch einmal so am Schlimmsten vorbeigekommen. Wo ist er, Dr. Hoffmann?«

    Ich: »Sie stehen vor ihm!«

    Kleinweg, ungläubig zwischen mir und Schubert hin- und herblickend: »Nein! Das ist nicht Herr Schubert!«

    Selbst anhand der Krankenunterlagen ließ sich Chefarzt Kleinweg offenbar nur schwer davon überzeugen, daß dieser nun fast kerngesunde Mensch identisch mit dem Todgeweihten von vor einer Woche war.

    »Unglaublich!«

    Und wieder würde ein dankbarer Patient im Verwandten- und Bekanntenkreis berichten, wie der Herr Chefarzt persönlich ihm bestätigt habe, daß er dem Tod nur gerade mal eben so von der Schippe gehopst sei und welche Wunder die Humana-Klinik an ihm vollbracht habe.

    Schuberts Zimmerkollege, am Tag zuvor mit Magenbluten unter Aspirin-Medikation aufgenommen, bekam Kleinwegs Gerade-noch-einmal-rechtzeitig-Begrüßung zu hören und die Versicherung, daß wir zu seiner Wiederherstellung ohne Rücksicht auf Mühen oder Kosten alles aufbieten würden, was die

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