Hundertundeine Nacht
moderne Medizin zu bieten habe. Nächste oder übernächste Woche würde Kleinweg dann auch diesen Patienten kaum wiedererkennen.
In mehreren Varianten, teils vom jeweiligen Krankheitsbild, teils von unserer Laune bestimmt, führten Kleinweg und wir Ärzte der Humana-Klinik unsere Donnerstags-Matinee durch die Innere Abteilung fort. Bei Herrn Krauskopf waren die Temperaturen rückläufig, vielleicht würden wir die Niere wirklich retten können.
Frau Zachels Uterusmyome hatten kaum noch geblutet, und ihre Angina pectoris war deutlich gebessert. Herr Schlups wollte wissen, ob er mit einem Herzschrittmacher weiter kegeln gehen könne.
»Aber klar können Sie das, Herr Schlups. Besser als bisher sogar.«
Ein glückliches Gesicht strahlte uns entgegen. Natürlich hatte er mir und den Kollegen wiederholt die gleiche Frage gestellt und die gleiche Antwort bekommen, aber nun hatte es der Herr Chefarzt auch gesagt.
Das wirkliche Problem war Herr Cornelsen, allerdings ein Problem, das weder mit medizinischer noch mit Kammerspielroutine zu lösen war.
»Noch nicht entlassen, den Herrn Cornelsen?«
Kein Vorwurf in Kleinwegs Stimme. Eher die Hoffnung, daß ich mich vielleicht geirrt hätte.
»Nein. Diesmal kam ein Racheninfekt dazwischen.«
Herr Cornelsen litt unter einer schweren Zuckerkrankheit, die unter anderem seine Nieren stark geschädigt hatte und ihn schon seit längerem von der künstlichen Niere abhängig machte. Unser Patient war er vor Wochen wegen Schwierigkeiten mit seiner Insulineinstellung geworden. Das Problem war lange behoben, doch nun entwickelte Herr Cornelsen jedes Mal, wenn er zur Entlassung anstand, einen neuen Infekt und blockierte damit nicht nur einen unserer wertvollen Plätze an der künstlichen Niere, sondern hatte sich in der Kombination teure Antibiotika und teure Blutwäsche zu einem Patienten entwickelt, dessen Behandlungskosten für die Klinik um ein Vielfaches den Betrag überschritten, den wir von seiner Krankenkasse erstattet bekamen. Zeit für meinen üblichen Donnerstags-Scherz.
»Ist Ihre Waldklinik nicht auf Diabetes mellitus spezialisiert, Herr Professor?«
Eilig verabschiedete sich Kleinweg und würde bis zum nächsten Donnerstag kaum erreichbar sein.
Nach der Vorstellung »Chefvisite« schaute ich in der Chirurgie vorbei. Unternehmer Sommer hatte Wort gehalten, im OP-Trakt ging es zügig voran, in den Operationssälen 2 und 3 kam inzwischen tatsächlich Druckluft aus den Druckluftanschlüssen, und am destillierten Wasser verbrühte man sich nicht mehr.
»Wir sind bereit für deine Niere, Felix!«
Da mußte ich die Chirurgen weiterhin ein wenig vertrösten.
Ein, zweimal die Woche Mittagessen mit Beate sparte uns beiden Zeit und war weniger offiziell als ein Termin in ihrem Büro. Außerdem, das mußte man ihr lassen, hatte sich das Essen in der Personalcafeteria seit ihrem Amtsantritt als unsere Verwaltungsleiterin deutlich verbessert. Für mich war das Thema Dr. Hassan noch nicht erledigt. Beate entschuldigte sich, sie selbst sei erst vorgestern unterrichtet worden.
»Ich finde«, meinte ich, »das ging überraschend schnell für das Arbeitstempo der Senatsbürokraten.«
»Freu dich doch, wenn sogar die einmal zügig arbeiten. Aber die Sache lief wohl direkt über das Auswärtige Amt. Wahrscheinlich als Goodwill-Aktion wegen der abgesagten Irakreise unserer Wirtschaftsbosse. Wenn es um Aufträge für die deutsche Industrie geht, sind wir uns auch für Saddam Hussein nicht zu fein.«
Globalisierung! Inzwischen hing wirklich jedes mit allem zusammen, sogar die Stellenbesetzung in der Humana-Klinik mit der deutschen Außenpolitik.
»Haben wir nicht langsam genug ausländische Doktors? Auf der Gynäkologie findest du ohne gute Russischkenntnisse kaum mehr den Weg zur Toilette.«
»Vergiß nicht, Felix, daß über ein Drittel unserer Patienten Ausländer sind und manche kaum Deutsch sprechen, da sind ein paar ausländische Doktors doch nicht nur gerecht, sondern auch praktisch. Findest du nicht?«
Mußte ich zugeben. Nur würde ich sie hin und wieder auch ganz gerne verstehen.
»Außerdem«, Beate griff über den Tisch nach meiner Hand, »Ausbildungshilfe für Ärzte aus dem Irak wäre sicher auch im Sinn von Celine, ist eine direkte Hilfe für die Menschen dort.«
»Celine hatte mehr die Kurden als die Iraker im Sinn.«
»Blödsinn. Celine hatte immer die Menschen im Sinn. Soll die irakische Bevölkerung wegen ihres verrückten Führers
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