Hundertundeine Nacht
Kliniken deutlich mehr wirksame Antibiotika vorrätig hatten? Daß dort aufgrund des großen Vorrats, der später natürlich an anderen Stellen fehlte, auch die vorsorgliche Gabe von Antibiotika ungleich großzügiger gehandhabt wurde?«
Ich glaube, nur mir, der ich auf die Frage vorbereitet war, fiel der Wimpernschlag eines irritierten Zögerns bei Zentis auf. Aber wirklich nur ein Wimpernschlag, dann kam die Antwort.
»Ich hatte bereits ausgeführt, daß unseren angenommenen Patienten in Marzahn und Hellersdorf die beste medizinische Versorgung zuteil wurde. Dazu gehören natürlich auch Antibiotika.«
Ich hatte Glück mit meinem Journalisten, der ließ sich nicht so einfach überfahren.
»Das heißt aber doch, daß die Ausgangsbedingungen in den Bezirken höchst verschieden waren. Wenn ich Sie richtig verstehe, waren Marzahn und Hellersdorf auf das Experiment vorbereitet, die anderen Krankenhäuser nicht.«
Wieder war ich erstaunt, wie schnell Kollege Zentis eine Antwort fand.
»Ich danke für Ihre Frage, ein äußerst wichtiger Punkt. Vielleicht habe ich das nicht deutlich genug gemacht, aber das war natürlich integraler Bestandteil des Experiments, dieser Vergleich zwischen vorbereiteten und nicht vorbereiteten Kliniken.« Er wendete sich dem Herrn Innensenator zu. »Es war sehr wichtig, zu zeigen, daß es enorm hilft, auf solche Anschläge vorbereitet zu sein. Das ist unsere Message von der Medizin an die Politik.«
Zentis hätte mich fast überzeugt. Natürlich ergab so ein Experiment mehr Sinn, wenn man verschiedene Ausgangsbedingungen vergleicht. Mein Journalist hingegen wollte noch die Antwort auf eine weitere Frage, die wir abgesprochen hatten.
»Könnte es sein, daß mit der von Ihnen im Lauf des Experiments verhängten Total-Quarantäne unter anderem die Nachlieferung von Antibiotika an andere Kliniken unterbunden werden sollte, um zu diesem Ergebnis zu gelangen?«
Zentis Augen irrten über das Auditorium. Ihm war jetzt klar, daß jemand hinter diesem Pressevertreter stehen mußte. Als er mich fand, wurde er weiß vor Zorn, und seine Antwort war kaum verständlich. Nur eines verstand ich sicher: Ich hatte einen neuen Freund fürs Leben.
Bundesamt für Verfassungsschutz
Telefonprotokoll Nr. 0423-54
(Originalmitschnitt archiviert)
Anrufer: Männliche Stimme, Identität bisher nicht ermittelt.
Anruf entgegengenommen von: Platz 3.
VS: »Platz drei. Sie sind mit mir verbunden worden, weil Sie angegeben haben, Sie hätten Kenntnis von einem geplanten terroristischen Anschlag. Sagen Sie mir bitte Ihren Namen.«
Anrufer: »Ich gebe Ihnen einen Namen: Dr. Hoffmann, Dr. med. Felix Hoffmann.«
VS: »Und Ihre Adresse, Herr Dr. Hoffmann?«
Anrufer: »Ich bin nicht Dr. Hoffmann. Aber Dr. Hoffmann ist jemand, um den Sie sich kümmern sollten. Seine Adresse finden Sie im Telefonbuch. Zehlendorf.«
VS: »Und warum sollten wir uns für diesen Dr. Hoffmann interessieren?«
Anrufer: »Das werden Sie sehen, wenn Sie sich anschauen, was er in seiner Wohnung an Unterlagen sammelt.«
VS: »Das ist zu vage, um etwas zu unternehmen. Da müssen Sie schon etwas genauer werden.«
Anrufer: »Ich dachte, es wäre meine staatsbürgerliche Pflicht, Sie zu informieren, wenn in Vorbereitung eines terroristischen Anschlags Anleitungen zum Bau von biologischen und chemischen Bomben gesammelt werden. Ich habe die entsprechenden Unterlagen selbst gesehen.«
VS: »Das ist tatsächlich sehr interessant. Wollen Sie mir nicht doch Ihren Namen geben, falls wir Rückfragen haben? «
Anrufer hat aufgelegt.
Beurteilung: Nachforschungen ergeben, daß Dr. med. Felix Hoffmann hier bereits als Verdächtiger der Kategorie C geführt wird. Damit kommt dem Hinweis, obgleich anonym, eine erhöhte Glaubwürdigkeit zu.
Empfehlung: Neueinstufung des Verdächtigen in Kategorie B und Einleitung weitergehender Maßnahmen.
Bundesamt für Verfassungsschutz
Aktennotiz
Betreff: Dr. med. Felix Hoffmann
Status: Verdächtiger, Kategorie B
Haussuchungsbefehl vom Gericht abgelehnt. Verdachtsmomente seien nicht ausreichend.
Empfehlung: Sonderermittlungen
Dies zu den Akten (Unterschrift nicht lesbar)
Kapitel 18
Am Freitag blieb ich länger in der Klinik, mein Freund Michael Thiel wollte noch vorbeikommen. Früher Laborarzt bei uns, betrieb Michael nun schon lange sein eigenes Labor, mit der Hilfe sowohl ausgesucht hübscher Laborantinnen als auch modernster Geräte. Deshalb interessierte mich seine Meinung zum
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