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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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würde.

    »Mach dir einen starken Kaffee. Ich bringe was vom Chinesen mit.«

    Eine halbe Stunde später öffnete Beate mir die Tür, im Bademantel. Es war das erste Mal, daß ich die ungeschminkte Beate sah. Bedeutete das eine höhere Stufe der Intimität zwischen uns? Oder daß es ihr egal war, ich ihr in dieser Hinsicht egal war?

    Sie hatte keinen Kaffee gekocht. Während ich ihr erzählte, was ich in unserem Klinikkeller entdeckt hatte, machte sie uns einen Wein auf.

    »Da hat sich jemand einen schlechten Scherz erlaubt, Felix, oder ihr irrt euch!«

    »Leider irren wir uns nicht.« Ich zeigte ihr die Abbildung des Ultrafeinstverneblers aus Zentis' Unterlagen. »Genau so ein Ding ist das.«

    Beate schaute sich die Abbildung an und las sorgfältig die Beschreibung mit den genauen Angaben zur Leistungsfähigkeit und zu den Einsatzmöglichkeiten.

    »Mein Gott, das ist ja widerwärtig! Wir müssen dieses Ding wegschaffen. Oder der Polizei übergeben. So schnell wie möglich, Felix!«

    »Das geht leider nicht mehr.«

    Ich erzählte ihr, warum.

    »Um so mehr müssen wir das der Polizei melden. Oder dem Bundesnachrichtendienst. Oder dem Verfassungsschutz. Weiß ich, wer da zuständig ist.«

    Wahrscheinlich ohne sich dessen bewußt zu sein, schenkte sich Beate schon zum zweiten Mal von ihrem Wein nach. Ich hatte bisher zu viel zu erzählen gehabt und nahm erst jetzt einen Schluck.

    »Ich denke, damit warten wir noch ein bißchen. Wenigstens bis uns klar ist, was das alles mit Celine zu tun hat.«

    Viel zu hart setzte Beate ihr Weinglas auf den Glastisch.

    »Wir wissen, was es mit Celine zu tun hat. Es hat ihren Tod bedeutet!«

    Im Gegensatz zu Beate hatte ich schon seit dem Nachmittag Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken.

    »Genau das ist es, was mir nicht in den Kopf will. Die Irakis wollen Giftgas produzieren und brauchen dazu diesen Ultrafeinstvernebler. Celine marschiert los und liefert ihnen einen, wenn sie das auch nicht weiß. Warum sollten sie Celine deshalb umbringen?«

    Beate dachte nach. Immer wieder fiel ihr eine Haarsträhne über die Augen. Endlich gab sie die Versuche auf, die Strähne hinter das Ohr zu verbannen, und wickelte sie sich um den Zeigefinger.

    »Na, Celine hat diesen Apparat gesehen. Zum Beispiel beim Ausladen.«

    »Aber das ergibt auch keinen Sinn, Beate. Erstens ging Celines Transport in den kurdischen Irak, da trauen sich die Irakis schon lange nicht mehr hin. Außerdem war das Ding schön in eine Holzkiste verpackt. Und selbst wenn die Holzkiste zum Beispiel vom Lastwagen gefallen wäre und dabei ihren Inhalt freigegeben hätte oder unsere irakischen Freunde die Kiste ausgerechnet in Celines Anwesenheit geöffnet hätten: Ich bin sicher, sie hätte das Ding genauso wenig erkannt wie ich. Auch für sie wäre es eine ganz normale Trinkwasseraufbereitungsanlage gewesen.«

    »Und ihr Freund Heiner, der den zweiten Lastwagen fuhr?«

    »Wie soll Heiner einen Ultrafeinstvernebler zur Giftgasproduktion erkennen? Heiner ist oder war Botaniker.«

    Jedenfalls hatte Celine ihn mir als Botaniker vorgestellt was aber nur hieß, daß er sich auch ihr als Botaniker vorgestellt hatte. War er wirklich Botaniker? Oder in Wirklichkeit Ingenieur der Firma Sommer? Schließlich war er spurlos verschwunden! Aber das war nun wirklich paranoid, Celine hatte diesen Heiner schon vor über einem Jahr bei der Bürgerinitiative für Asylanten kennengelernt.

    Und wenn Celine doch irgendwie dahintergekommen war, was man ihr da als Hilfstransport untergejubelt hatte – wie hätte sie reagiert? Die Antwort darauf war einfach, wenn auch unangenehm, denn sie bedeutete, daß die Berichte aus dem Irak stimmten: Celine, meine pazifistische Freundin und Geliebte, hätte sehr wohl zu einer Bombenwerferin geworden sein können!

    »Kannst du dir das wirklich vorstellen, Felix?«

    »Eigentlich nicht.«

    Aber ich war nicht mehr sicher, außerdem war ich abgelenkt. Abgelenkt durch Beates Bademantel, der sich während unserer Diskussion ein wenig geöffnet hatte und nun die Sicht auf Beates Schenkel freigab, und eine Ahnung von mehr. Mein Gott! Hatte ich noch nie einen Oberschenkel gesehen? Wir sprechen hier gerade über meine tote Freundin! Was war das? Ein Reflex, der, von mir unbeeinflußbar, direkt über das Rückenmark lief? Oder bin ich ein emotionales Monster, unfähig zwar, über Celine zu trauern, aber immer bereit für ein neues Abenteuer? Es blieb eine kleine Entschuldigung: Inzwischen hatte auch

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