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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Ahnung, wie dämlich wir sind!«

    Damit hatte Michael nicht unsere ungeteilte Zustimmung, aber sofort unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.

    »Der Schlüssel steckt nicht im Text. Den können wir noch hundertmal lesen. Stegamycin! Das ist es! Das ist der Schlüssel!

    Zu viel Alkohol bei Michael? Zu anstrengende Ritualtänze? Wir hatten den Begriff »Stegamycin« wiederholt und in den verschiedensten Variationen als mögliches Entschlüsselungswort laufen lassen. Ohne Erfolg.

    »Nein, ihr Schnarchnasen! Nicht als Paßwort oder so. Felix hat doch schon klar erkannt, daß die Silbe ›mycin‹ ein Hinweis ist, weil eine Muschel eben kein Pilz ist. Und genauso ein Hinweis ist die Silbe ›stega‹! Noch nie was von Steganografie gehört?«

    Beate und ich schauten uns ratlos an. Hatten wir nicht. Michael klärte uns auf.

    »Steganografie nennt man die Technik, Nachrichten in Bildern zu verstecken. Eigentlich eine alte Technik, natürlich stark verfeinert im Zeitalter der Elektronik. Und gar nicht so schwer zu entschlüsseln, wenn man es weiß und wenn man weiß, um welches Bild es geht.«

    »Die Muschel!«

    Der Rest war tatsächlich erstaunlich einfach. Unter dem Stichwort »Steganografie« hatte Michal im Web schnell ein Entschlüsselungsprogramm mit dem sinnigen Namen »Steganos« gefunden, als richtiges Schlüsselwort stellte sich, das war leicht, »Spreewald« heraus.

    Und einfach war auch die Mitteilung.

    »Ich lebe. Und ich hoffe, ich bin bald bei euch.«

    Natürlich war Celine klar gewesen, daß ich ihre Nachricht nicht alleine entschlüsseln könnte!

    »Warum schreibt sie nicht, wo sie ist? Wie sie da herauskommen will?« maulte Beate.

    Außerdem war der Champagner alle.

    »Weil Celine vorsichtig ist«, antwortete Michael. »Weil wir nicht die einzigen auf der Welt sind, die verschlüsselte E-Mails lesen können.«

    »Können wir wenigstens herausbekommen, wo die E-Mail herkommt?«

    »Nein«, informierte uns Michael. »Die Nachricht kommt aus Moskau. Besser, von einem Server in Moskau. Und die einzige Existenzberechtigung dieser Art Server ist es, daß man den wirklichen Ursprungsort der Nachricht nicht herausbekommen kann.«

    »Wozu gibt es solche Server?«

    »Dafür! Und für illegale Kettenbriefe. Für Erpressungen. Für die anonyme Warnung vor Attentaten. Tausend gute Gründe, deshalb werden sie auch von den jeweiligen Regierungen nicht gesperrt.«

    Für diese Nacht waren wir es zufrieden und ziemlich sicher, daß Celine wirklich noch lebte. Es könnte wirklich sein, daß Celine noch lebt.

    Bestimmt hatte auch der Champagner etwas damit zu tun, daß Beate und ich in dieser Nacht endlich miteinander schliefen. Aber unsere Freunde von der Psychologie hätten bestimmt darauf hingewiesen, daß Alkohol in der Regel nur ein Katalysator ist für Sachen, die gewollt waren und irgendwann sowieso geschehen würden, und hätten sich ein Fest gemacht aus der Antwort auf die Frage, warum es gerade jetzt dazu gekommen war.

Kapitel 23

    Am nächsten Morgen Ernüchterung. Ernüchterung im wahrsten Sinn des Wortes: der langsame Abbau des Alkohols. Der schnelle Abbau des Testosteron. Das und tausend noch unbekannte Mechanismen und Regelkreise führten dazu, daß in meiner wie immer gutbesetzten cerebralen Dauerdiskussionsrunde nach dem Zähneputzen wieder die Zweifler und Zauderer die Oberhand gewannen. War die E-Mail echt? War sie tatsächlich von Celine, die Muschel Cytherea meretrix ein ausreichender Beweis dafür? Vielleicht hatte man die Geschichte mit den vergrabenen Südseemuscheln im Spreewald aus ihr herausgeprügelt, oder Celine hatte sie irgendwann arglos ihrem Mitfahrer Heiner erzählt, und man hatte sie aus ihm herausgeprügelt. Oder Prügel wären gar nicht nötig gewesen.

    Was hätte dann diese E-Mail zu bedeuten? Wer wollte mich glauben machen, Celine lebt, und mit welchem Ziel? Und, anders herum, welchem Zweck sollte es dienen, die Geschichte von Celines Tod bei einem Bombenattentat zu verbreiten, wenn Celine tatsächlich lebt?

    Aber wenn Celine lebt, was war dann mit dem Sarg aus Bagdad? Oder besser, in dem Sarg aus Bagdad? Wen oder was hatten wir auf dem Waldfriedhof begraben? Mit Sicherheit wußten bestimmte deutsche Stellen wenigstens darüber Bescheid, und mit Sicherheit würden diese Stellen mir dazu keine Auskunft geben.

    Ein paar Telefonate ergaben folgendes Bild: Ich würde leichter eine Exhumierung erreichen als die Herausgabe der betreffenden Dokumente. Um an die Dokumente zu

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