Hundertundeine Nacht
hin. Nur weißt du ganz genau, daß ich nicht von der Klinik spreche.«
Natürlich war mir das klar. Beate störte sich weniger an der Inanspruchnahme meiner Urlaubstage als an meinem Urlaubsziel: der Republik Irak.
Kapitel 27
War eine Reise in den Irak tatsächlich eine Schnapsidee, eine Folge vielleicht etwas zu kräftiger Schläge auf meinen Quadratschädel, wie Michael meinte? Wahrscheinlich aber, je vehementer Michael und Beate sie mir auszureden versuchten, desto mehr versteifte ich mich auf das Projekt.
»Hier abzuwarten, wer mich als nächster zusammenschlagen läßt, scheint mir auch keine so tolle Perspektive. Da kann ich mich auch im Irak verprügeln lassen.«
»Glaubst du«, gab Michael zu bedenken, »Saddams Schergen beschränken sich bei ungläubigen Freunden von bombenwerfenden Frauen, die ungebeten in ihrem Land herumschnüffeln, auf ein wenig Prügel?«
Sicher hatte Michael recht, wahrscheinlich mehr noch Beate: »Deine Irakreise ist keine Schnapsidee. Der Plan entspringt einem Schuldkomplex gegenüber Celine, weil wir miteinander geschlafen haben. Du stellst dir eine Art Büßergang vor, diesmal nach Bagdad statt nach Canossa. Eine selbstauferlegte Strafe, mit der du dich reinwaschen willst.«
Es kam noch einiges an Argumenten von den beiden, nicht zuletzt der inzwischen täglich wahrscheinlicher werdende Angriff der Amerikaner, aber ich ließ mich nicht mehr von meinem Plan abbringen, plötzlich überzeugt, daß ich schon längst hätte aufbrechen und mir vor Ort Klarheit verschaffen sollen. Und inzwischen ging es um mehr als um Klarheit, es ging um effektive Hilfe für Celine. Hatte ich bei meinem Besuch in der irakischen Botschaft mit den Broschüren vom Herrn stellvertretenden Botschafter nicht sogar so etwas wie eine Einladung in den Irak bekommen?
Die Reise erforderte Vorbereitungen, mit denen ich mich aber nicht lange aufhalten wollte. Erst einmal zog ich in Celines Wohnung. Dazu bedurfte es keiner größeren logistischen Planung, denn Celines Wohnung liegt – wie gesagt – in derselben Straße schräg gegenüber. Und mein Übernachtungspaket mit Zahnbürste und ein paar Klamotten war dort noch immer deponiert. Der Umzug war sinnvoll, weil Celines Hauseingang um die Ecke lag, nicht einsehbar, wenn sich die nächste Schlägerbande in der Nähe meiner Haustür herumdrückte.
Mein wirkliches Reiseziel kannten nur Beate und Michael, die offizielle Klinikversion hieß »Bildungs- und Badeurlaub in Ägypten«. Entsprechend buchte ich den Flug Berlin-Frankfurt-Kairo in einem normalen Reisebüro über meine Visakarte, während ich für das Reststück Kairo-Damaskus-Bagdad ein türkisches Büro in Neukölln beehrte und zur Freude des Inhabers bar bezahlte. Wie man in den Irak hineinkommt, wußte ich von den Broschüren aus der Botschaft: Man braucht einen aktuellen HIV-Test und eine Einladung von einem irakischen Bürger oder stellt einen Visumsantrag beim Kultur- und Informationsministerium in Bagdad. Mit einem ziemlich aktuellen und erfreulicherweise negativen HIV-Test konnte ich dienen, wollte aber weder einen offiziellen Visumsantrag stellen noch unseren Gastarzt Abdul Hassan um eine Einladung von seiner Familie bitten, was wohl auf das Gleiche hinausgelaufen wäre.
Ich vertraute bei einer Bevölkerung am Rande des Hungerns lieber auf die internationale Macht von Dollarnoten, von deren positiver Wirkung auch im Irak ich gehört hatte. Außerdem entwickelte sich zur Zeit wegen der immer schärfer werdenden Töne aus Washington ein Tourismus in Sachen »menschliche Schutzschilder« in Richtung Bagdad, an dem ich mich zwar nicht beteiligen wollte, der aber seinerseits als Schutzschild für meine Einreise dienen könnte.
»Das können Sie mir nicht antun! Das ist im höchsten Maße unkollegial!«
Die fehlende Begeisterung beim kommissarischen Chefarzt Kleinweg überraschte mich nicht. Nicht allein Beate und Michael hatten erhebliche Bedenken gegen meine Urlaubsplanung, sondern auch Leute, die mein wirkliches Reiseziel gar nicht kannten. Mein Mitleid mit Kleinweg hielt sich allerdings in engen Grenzen, zumal ich zwar als Angestellter der Vital-Kliniken auch weiterhin die Privatpatienten der Inneren Abteilung versorgte, Professor Kleinweg aber nonchalant die Honorare dafür einsteckte. Sollte er sich doch mal selbst um die Patienten kümmern, für die er kassierte!
»Tut mir leid, Herr Kleinweg, aber wenn ich den Urlaub jetzt nicht nehme, ist er verfallen. Ist alles noch vom
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