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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Flugangst zu. Ich hoffte am Ende nur noch, daß Celines Bordkoffer wirklich den Vorschriften entsprach und nicht nur Charme ihr den Weg damit in die Kabine geebnet hatte.

    Um 5 Uhr 31, viel zu früh, wartete ich vor Kälte bibbernd an der Ecke Argentinische Allee. Ob aus Rücksicht auf meine Nachbarn, um denen das fast noch nächtliche Taxi-Dieselnageln zu ersparen oder als Einübung auf meine nun unmittelbar bevorstehende Auslandsagentenkarriere – jedenfalls hatte ich das Taxi nicht direkt in die Siedlung bestellt. Der wahre Grund aber war eher, daß ich noch irgend etwas Körperliches tun wollte, und war es auch nur, den nicht sehr schweren Bordkoffer bis zur nächsten Hauptstraße zu schleppen. Der Taxifahrer stellte sich als Araber heraus – ich nahm es als gutes Omen.

    Nun war es also 6 Uhr 55: Mehrere Überwachungskameras hatten mich erfaßt und mit Datum und Uhrzeit auf Magnetband gespeichert, wachsame Metalldetektoren meine Wohnungsschlüssel gefunden, und einfühlsame Hände hatten sich meiner wahrscheinlichen Harmlosigkeit versichert. Heute war sogar wieder Schuheausziehen angesagt.

    Immerhin, die aktuelle Bilanz war ermutigend: Der Taxifahrer hatte sich nicht als bombentransportierender Terrorist herausgestellt, an der Passagierkontrolle hatte man Celines Bordkoffer anstandslos passieren lassen, und bei der Schuhkontrolle konnte ich sogar Socken ohne Löcher vorweisen. Würde mein Glück anhalten? Es wäre voreilig gewesen, mir jetzt schon Sorgen um mein Hineinkommen in den Irak und meinen selbstgewählten Auftrag dort zu machen.

    Erst einmal mußte ich mindestens vier Starts und vier Landungen überleben, viermal auf Ausbildung und Konzentration von Piloten und Fluglotsen, Funktionstüchtigkeit und anhaltende Stromversorgung von Radargeräten, Höhenmessern und Düsenaggregaten und schließlich auf gefällige Rücksichtnahme kreuzender Vogelschwärme vertrauen. Und außerdem hoffen, daß nicht wieder einmal ein amerikanischer Flugzeugträger meinen Airbus für einen feindlichen Bomber hält.

    »Ihr Lufthansaflug Nr. 1607 nach Frankfurt ist nun bereit zum Einsteigen. Jua Lufthänsafleit Namba sikstiinousäwen is nau rädi foa boading.«

    Allgemeines Aufspringen, und natürlich kam es sofort zum Stau auf diesem Ding, das sich offiziell »Fluggastbrücke« nennt. Wie üblich hatten sich die vorderen Sitzreihen als erste an Bord gedrängt, um nun bei voller Konzentration auf die Auswahl der Morgenzeitung und das Verstauen des Handgepäcks den Weg für die übrigen Passagiere zu blockieren.

    Ich ließ mich vom Gedränge mittragen und hing unter anderem dem trüben Gedanken nach, ob ich mich gleich in derselben Maschine anschnallen würde, in der vor nun gut vier Wochen der Sarg nach Berlin gebracht worden war.

    Ruckartig kam die Schlange erneut zum Halten, ein Regenschirm bohrte sich in mein Kreuz. Waren Regenschirme an Bord inzwischen nicht auch verboten? Ich stand jetzt kurz vor der Passagiertür, unmittelbar neben der Eisentreppe von der Fluggastbrücke auf das Rollfeld, und wäre fast über Celines Bordkoffer gestolpert. Ohne jede Vorwarnung erweckte mich dieser Stoß aus meiner Dauersomnolenz.

    Wollte ich tatsächlich mit einem Guccikoffer durch den Irak ziehen? Was um Gottes willen hatte ich überhaupt vor? Wie sollte ich in einem Land von nahe fünfhunderttausend Quadratkilometern und über zweiundzwanzig Millionen Einwohnern, deren Sprache ich weder verstehen noch sprechen konnte, Celine finden? Mit den nützlichen Redewendungen aus dem Reiseführer zum Bestellen eines Frühstückseis oder für Kinokarten? Und war es nicht ohnehin sehr wahrscheinlich, daß sich Celine längst in den Norden abgesetzt hatte, in das Kurdengebiet? Was sollte ich dann in Bagdad? Nie im Leben hätte sie mir eine E-Mail aus Bagdad schicken können! Ich schnappte mir meinen Guccikoffer und stürmte die Leiter hinunter auf das Rollfeld.

    Keine Maschinengewehrsalve, keine Alarmsirene. Auch kein Protest von der Fluggastbrücke, hier war man offenbar für jede Verkürzung der Schlange dankbar. Ich sah keinen Grund, Maschinengewehrsalven, Sirenen oder wütende Proteste abzuwarten, rannte in die erstbeste Richtung weg vom Rollfeld und landete in der Gepäckverteilung unter dem Terminal.

    »Wo ist der Verletzte?«

    Ziemlich hilflos schaute mich der Gepäckarbeiter an, sichtlich um Verständnis bemüht. Ich baute meinen Überraschungsvorteil aus.

    »Sie können mich nicht von meinen Patienten wegrufen, und dann wissen

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