Hundertundeine Nacht
letzten Jahr.«
»Wirklich, Herr Hoffmann, das kann man doch sicher regeln! Ich könnte es ja noch verstehen, wenn Ihre Reise etwas mit Ihrer verstorbenen Freundin zu tun hätte oder deren Projekt. Aber nach Ägypten! Viel zu gefährlich. Das sind auch alles Araber. Da können Sie ja gleich in den Irak fliegen!«
Ich unterdrückte ein Lächeln.
Es folgte eine unerfreuliche Visite mit einem unentwegt nörgelnden Kleinweg, der erkannte, daß seine üblichen Floskeln ihm nicht über die Zeit ohne Dr. Hoffmann helfen würden. Er mußte jetzt richtig aufpassen, sich Notizen machen, Strategien planen – so hatte er sich die Position »kommissarischer Chefarzt« nicht vorgestellt.
»Eines muß klar sein, Herr Hoffmann: Ich werde keine Zeit haben, mich ausreichend um die Patienten an der künstlichen Niere zu kümmern.«
Es ging nicht nur um unangenehme Mehrarbeit, jetzt ging es auch um Inkompetenz. Uns beiden war klar, daß es Professor Kleinweg gegenüber den Nierenpatienten nicht nur an der Zeit fehlte. Und ebenso klar war, daß er dies nie zugeben würde.
»Wir haben einen irakischen Gastarzt, der sich in dieses Gebiet sehr gut eingearbeitet hat. Ich glaube, die Dialyse wird keine Probleme machen.«
Kleinweg entspannte sich sofort, doch für meinen Geschmack brauchte er einen kleinen Dämpfer.
»Was Dr. Hassan allerdings nicht leisten kann, ist, Wege zu finden, wie wir diese Patienten möglichst rasch loswerden können.«
Überhaupt konnte ich für Kleinweg nur hoffen, daß unser Gastarzt nicht eines Tages plötzlich verschwunden sein würde. Über seine Hilfsabsichten zu unserem zweiten Transport hatte ich nichts mehr gehört, seit er sich um dessen Vollständigkeit Sorgen gemacht hatte.
Auf der Flugroute Berlin-Frankfurt-Kairo-Damaskus-Bagdad gibt es für das Gepäck mindestens fünf Gelegenheiten, im falschen Flugzeug oder ganz woanders zu landen, und ich ging davon aus, daß ich in Bagdad andere Probleme haben würde, als den internationalen Vordruck für vermißte Koffer auszufüllen. Entsprechend hatte ich meine Garderobe für den Irak auf das Minimum reduziert, das neben Rasierzeug, Zahnputzutensilien, Landkarten und ein paar Medikamenten gegen Fieber und Durchfall in Celines Bordkoffer paßte. Aber trotz dieser strengen Begrenzung reichte meine Übernachtungsgarderobe bei Celine nicht aus oder war reif für die Waschmaschine, ich brauchte Nachschub aus meiner Wohnung.
Es regnete fürchterlich, als ich hinüber wollte. Also lief ich nicht über die Straße zu meiner Wohnung schräg gegenüber, sondern schräg unter der Straße durch: Dank der Luftschutzvorschriften aus jener Zeit laufen in unserer Siedlung gemeinsame Kellergänge nicht nur unter den nebeneinanderliegenden Häusern, sondern verbinden unterirdische Querriegel auch die gegenüberliegenden Häuser.
Nur deshalb entdeckte ich meine aufgebrochene Kellertür und hätte sonst wahrscheinlich gar nicht bemerkt, daß man sich auch oben in der Wohnung zu schaffen gemacht hatte, denn in der Regel kann ich für meine häusliche Unordnung kaum Dritte verantwortlich machen. Besonders der Einbruch in den Keller sprach für die Trinkwasseraufbereitungsgiftgasanlage als Objekt der Begierde. Ging das auch auf das Konto Sommer und Co.? Oder wer war dieses Mal neugierig gewesen? Egal, für mich ein Argument mehr unterzutauchen, und wenigstens zum Untertauchen schien mir der Irak mehr als geeignet. Ich griff mir ein paar T-Shirts, einige Socken und einen Stapel Unterwäsche, das sollte reichen. Aufräumen konnte ich nach meiner glücklichen Rückkehr.
Kapitel 28
Dienstag, 6 Uhr 55, Flughafen Tegel, Berlin. Natürlich hatte ich nicht geschlafen und war ab zwei Uhr morgens ziellos durch Celines Wohnung getigert. Gegen halb drei wollte ich das Projekt »Flug nach Bagdad« sogar abbrechen, überzeugte mich aber bald, daß dafür in der Hauptsache meine Flugangst verantwortlich war.
Um 4 Uhr 24 hatte ich ein letztes Mal mein Gepäck auf Vollständigkeit kontrolliert, im Grunde ohnehin sicher, das Falsche eingepackt beziehungsweise das Wichtigste vergessen zu haben. Den kleinen GPS-Empfänger, den Michael noch schnell von seinem Segelboot geholt und mir als unerläßlich für meine Mission aufgedrängt hatte, ließ ich zurück. Den, da war ich sicher, würde man mir am Flughafen in Bagdad als erstes abnehmen oder als Beweis für geplante Spionage betrachten. Die Frage, ob das nicht ebenso für die Landkarten gelte, schrieb ich einfach meiner
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