Hundertundeine Nacht
zumal ich offensichtlich nicht zu Rang eins bis drei auf der Nominierungsliste gehörte, die man zum Gespräch eingeladen hatte. Wahrscheinlich nicht einmal zu Platz 15, wenn Sommer sein Versprechen gehalten hatte. Und davon ging ich aus.
»Es sieht so aus: Nummer eins und zwei haben schon abgesagt. Die Bedingungen gefallen ihnen nicht, hauptsächlich die hohen Abgaben an Vital aus den Privatpatientenhonoraren. Das scheint andernorts immer noch günstiger geregelt. Aber unter der Hand wurde mir bedeutet, du solltest dir trotzdem keine Hoffnungen machen. Das kam weniger von Vital als aus der Senatsverwaltung für Inneres. Da ist man stocksauer auf dich wegen der Pressekonferenz neulich.«
Also lag es nicht nur an Herrn Sommer. Und das zeigte mal wieder die enge Verflechtung zwischen der Berliner Verwaltung und der angeblich so privaten Vital-Gruppe.
Ich beschloß, daß es mir der Spaß trotzdem wert gewesen war: Buddelkastenmentalität. Und außerdem, redete ich mir ein, hätte ich nichts unternommen, wäre am Ende vielleicht noch Zentis als Chefarzt in der Humana-Klinik aufgetaucht.
Berlin office, progress report (ref. III-77-1414)
Subject: Dr. Felix Hoffmann
From: agent McGilly, agent Thorne
Source of information: personal interview, observation
Zusammenfassung: Die Zielperson wurde in seiner Privatwohnung in Berlin-Zehlendorf von den Agenten McGilly und Thorne aufgesucht. Die Agenten gaben sich als Mitarbeiter der amerikanischen Regierung zu erkennen. Die Zielperson schien über den Besuch nicht besonders überrascht. Persönliche Kontakte zur Zielperson Sommer (ref. III-76-1391) wurden verneint. Ebenso verneinte Dr. Hoffmann jedwede Kenntnis zum gegenwärtigen Standort der zweiten Hälfte des Objekt Sommer, das er allerdings weiterhin als »Trinkwasseraufbereitungsanlage« bezeichnete.
Zirka dreißig Minuten nach Beendigung des Interviews verließ Dr. Hoffmann eindeutig stark erregt seine Wohnung und entfernte sich mit überhöhter Geschwindigkeit im eigenen PKW. Eine Verfolgung war nicht möglich, da der Funkkontakt zwischen den Agenten McGilly und Thorne kurzfristig unterbrochen war.
Bewertung: Die Angaben der Zielperson sind unglaubwürdig. Was seine angeblich nicht existenten außerdienstlichen Kontakte zur Zielperson Sommer betrifft, werden diese u.a. durch das berichtete gemeinsame Dinner im Nobelrestaurant »Trenta Sei« (Markgrafenstraße) belegt. Deshalb und wegen der nachgewiesenen Kontakte von Dr. Hoffmann zum irakischen Auslands-Geheimdienst (ref. III-77-1411) ist es unwahrscheinlich, daß Dr. Hoffmann tatsächlich keine Kenntnis zum gegenwärtigen Standort der zweiten Hälfte des Ultrafeinstverneblers besitzt.
Die konspirativen Absichten der Zielperson werden u.a. auch durch die Tatsache unterstrichen, daß er seinen PKW nicht sichtbar an der eigenen Adresse, sondern deutlich entfernt an wechselnden Orten parkt. Und ganz offensichtlich hat unser Interview zu hoher Erregung bei der Zielperson geführt und die sofortige persönliche Kontaktaufnahme mit einer unbekannten dritten Person notwendig gemacht (Zielperson Sommer?).
Empfehlungen/weiteres Vorgehen: Es wird erneut dringend die Einzelüberwachung von Dr. Hoffmann beantragt. Eine Weitergabe der Erkenntnisse an deutsche Dienststellen wird unverändert nicht empfohlen.
PS: Dies war bereits der dritte Kommunikationsausfall innerhalb von sechs Monaten trotz wiederholter Reparatur der Geräte. Die bisher aus Kostengründen abgelehnte Neubeschaffung wird hiermit erneut und dringlich beantragt.
Handschriftliche Notiz:
1. Chuck soll sich um diesen verdammten Funk kümmern.
2. »Objekt Sommer« bei Zielperson? Wo versteckt? Sobald wie möglich überprüfen!
Bundesamt für Verfassungsschutz
Ref. IV, Vorgang Nr. 286-03
Zielperson: Celine Ulrike Bergkamp
Nach erneuter Rückfrage liegen dem AA (Legationsrat Schmockwitz) weiterhin keine Erkenntnisse zum Verbleib der Zielperson Bergkamp vor, nachdem die gerichtsmedizinische Untersuchung zweifelsfrei ergeben hat, daß es sich bei der aus dem Irak rückgeführten Leiche nicht um Celine Ulrike Bergkamp handelt. Es ist deshalb davon auszugehen, daß es sich bei der Behauptung der irakischen Stellen, Bergkamp wäre bei einem Bombenattentat im Irak zu Tode gekommen, um eine sog. Legende handelt.
Aufgrund des Gesamtmaterials geht das Bundesamt weiterhin davon aus, daß die Zielperson am Leben ist und sich zu einer terroristischen Ausbildung beziehungsweise Weiterbildung im Irak aufhält,
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