Hundertundeine Nacht
Vorbereitungen wie Ticketkauf etc.
5. Es sollte erwähnt werden, daß die Zielperson zweifelsfrei über genaueste Kenntnisse über und Hilfe innerhalb des Flughafens verfügen konnte, da ihr die Flucht sonst unmöglich gelungen wäre.
6. In diesem Zusammenhang sollte auf die chronische Personalnot und Unterfinanzierung des VS hingewiesen werden.
Konsequenzen:
1. Nach den jüngsten Aktivitäten der Zielperson darf als gesichert gelten, daß Dr. Hoffmann die Zielperson Celine Bergkamp nicht nur aus privaten Motiven unterstützt, sondern ebenso wie Frau Bergkamp Aktivist ist.
2. Deshalb ist der Kontakt zur Zielperson dringlich wieder herzustellen. Hierzu sollte die bekannte Wohnadresse unverzüglich erneut unter Überwachung gestellt werden, da dort am ehesten mit seinem Wiederauftauchen gerechnet werden kann.
Bericht Nr. 26 (zur Löschung) und Nr. 27 (jetzt Nr. 26) zur Überarbeitung in der Anlage zurück.
Kapitel 29
Hatte mich wirklich die Erkenntnis ihrer Sinnlosigkeit von der Irakreise abgebracht oder einfach im letzten Moment meine Flugangst die Oberhand gewonnen?
Nein, ich war am Flughafen eindeutig aus einer Dauersomnolenz erwacht: Erst jetzt erkannte ich, daß ich seit dem Tag, an dem dieser Sarg in Tegel angekommen war, in einem Schockzustand mit nur selektiver Wahrnehmung der Realität gelebt hatte. Äußerlich hatte ich relativ normal funktioniert, in der Klinik keine irrwitzigen Anordnungen getroffen, keinem Patienten Schaden zugefügt. Und die diskreten Hinweise ließen sich leicht als alltägliche Aussetzer erklären: die auf links getragene Krawatte bei der Beerdigung, der Samstag in der Klinik nach meinem Besuch bei Celines Eltern, wirklich keine großen Sachen. Sofort meldete sich auch mein allzeit dienstbereiter persönlicher Verteidiger und meinte, daß ich, käme es irgendwann zu einer diesbezüglichen Klage, auch den Beischlaf mit Beate auf das Konto Somnolenz buchen lassen sollte.
»Du mußt verstehen, Celine, ich war nicht Herr meiner Sinne!
Diese Argumentation würde allerdings bedingen, jetzt, aus der Somnolenz erwacht, auf eine gelegentliche Wiederholung dieser Art von Zweisamkeit mit Beate zu verzichten. Womit ich wieder bei deren These von meinem angeblichen Bußgang nach Bagdad gelandet war.
Wie auch immer, ich war froh, nicht nach Bagdad unterwegs zu sein. Mal ganz abgesehen vom täglich handfester drohenden Krieg und fehlenden Visum, fehlenden Sprachkenntnissen, fehlenden Anhaltspunkten. Celine war vermutlich gar nicht mehr im eigentlichen Irak, eher schon südlich des 33. Breitengrades oder, wahrscheinlicher, nördlich des 36. Breitengrades. Ganz einfach: Weil es im Irak des Saddam Hussein keine Infrastruktur mit privatem Internetzugang oder Internetcafés gibt, hatten wir keine Codeworte für einen entsprechenden E-Mail-Verkehr vereinbart.
Ihre E-Mail sprach dafür, daß sie irgendwo in Kurdistan auf dem Weg in die Türkei war. Und in den Bergen Kurdistans nach ihr zu suchen wäre ebenso hirnverbrannt gewesen wie im Irak, zum Schluß wäre ich dort – wenn überhaupt so weit nur direkt zwischen die aufs Blut verfeindeten kurdischen Parteien gekommen.
So latschte ich jetzt weder durch die karge Bergwelt Kurdistans noch, wie in der Klinik verkündet, durch die ägyptische Wüste. Trotzdem blieb meine Wohnung unbewohnt, hatte ich mich wieder bei Celine häuslich eingerichtet: Ich war untergetaucht!
Untergetaucht? Suchte denn jemand nach mir? Und wenn ja, wer eigentlich?
Wenigstens meine Freunde vom Verfassungsschutz, ergab kurzes Nachdenken. Ich hatte meine Flüge nicht unter falschem Namen gebucht, und hätten die Begriffe Vernetzung und Datenabgleich nur die geringste Bedeutung im Sicherheitssystem der BRD, sollten die Verfassungsschützer Jablonske und Waldeck längst über meine kleine Vorstellung auf dem Flughafen Tegel informiert sein.
»Habe ich doch gleich gesagt, daß der den Harmlosen nur spielt!«
Mit überlegenem Lächeln würde Verfassungsschützer Waldeck seinem Kollegen Jablonske den Bericht über den Schreibtisch schieben.
»Habe ich auch nie bestritten«, würde sich Jablonske lahm verteidigen.
Und sehr wahrscheinlich würden sie sich dann bald auf den Weg machen – zu meiner leeren Wohnung.
»Sag ich doch, der ist untergetaucht!«
Noch ein Punkt für Waldeck!
Würden sie ihren Kollegen vom CIA Bescheid sagen? Ja, würden sie. Bei allem, was mit Flughäfen, Flugzeugen und nicht angetretenen Flügen zu tun hatte, würden sie die
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