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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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ihren Schleier. Sie war mit jeder Menge Gold behangen und saß in der Mitte, umgeben von Frauen und Männern in bester Festtagskleidung. Ich war zu einer kurdischen Hochzeit eingeladen!

    Der Platz neben der Braut war leer, auch sonst waren Frauen in der Überzahl. Sicher wurde in einem Nebenraum dem Bräutigam gerade der Vertrag über die Mitgift bestätigt, danach durfte er dann seine Braut persönlich kennenlernen. Ich entspannte mich. Plötzlich fiel mir auf, daß ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte.

    »Dr. Hoffmann?«

    Ein junger Mann trat auf mich zu, ebenfalls in schwarzem Anzug, weißem Hemd und Krawatte.

    »Ja, der bin ich.«

    »Folgen Sie mir bitte.«

    Das tat ich, aber zu meiner Enttäuschung ging es nicht an die Tafel mit dem appetitlichen Angebot, das problemlos für einen weiteren Gast gereicht hätte. Der junge Mann führte mich einen schmalen Gang im hinteren Teil des Restaurants entlang, hinter dem Schild »WC« dann ein paar Stufen abwärts, schließlich landeten wir in einer Art Lagerraum. Man hatte für das Hochzeitsfest nicht alle Vorräte geplündert, in den Regalen standen noch genug Säcke mit Reis und große Büchsen mit verschiedensten Hülsenfrüchten.

    Ich wurde erwartet, nicht alle an der Tafel fehlenden Männer waren mit dem Ehevertrag beschäftigt, vier Mann hatte man für mich abgestellt. Sehr aufmerksam. Irgendwie hatte ich jedoch nicht den Eindruck, daß sie mir wirklich helfen wollten, Celine zurück nach Deutschland zu bekommen. Etwas unsicher schaute ich in die Runde und versuchte, das Eis zu brechen.

    »Guten Abend!«

    Das war für einige Zeit das letzte, was ich sagen sollte. Die Antwort auf meine völkerverbindende, kulturelle Gräben überwindende Begrüßung landete direkt in meinem Bauch.

    In der Medizin macht man so etwas auch manchmal, man nennt es Vorbehandlung. Zum Beispiel, indem man den Patienten in heiße Fangotücher einwickelt, um die so gelockerte und entspannte Muskulatur danach effektiver massieren zu können. Das spart Arbeit und Zeit, und eindeutig war auch diesen Herren daran gelegen, so bald wie möglich wieder zurück zu Musik und Speisen zu kommen. Sicher fürchteten sie, ohne eine nachdrückliche Vorbehandlung nur mit zeitraubenden Ausflüchten aufgehalten zu werden. Allerdings schienen sie sich, der Kraft ihrer Schläge nach zu urteilen, am Büffet ausreichend gestärkt zu haben.

    Aber letztlich machten meine Peiniger doch einen Fehler. Wie in der Medizin ist auch im wirklichen Leben alles eine Frage der richtigen Dosis, und hier hatte man deutlich überdosiert. Bei dem ungeheuren Schmerz der ersten drei bis fünf Schläge hätte ich sicher jede Frage beantwortet, jede Tat gestanden. Als sie später dann wirklich mit ihren Fragen kamen, taten die Schläge zwar immer noch weh, aber irgendwie war fast eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Schmerz über mich gekommen.

    Ohnehin hätte ich ihre Fragen nicht beantworten können.

    »Wo ist die Anlage von dem Sommer?«

    Rums – noch einer in den Bauch.

    »Hast du die, Doktor?«

    Krach – einen auf den Kopf.

    »Oder das Schwein Baran?«

    Was konnte ich tun? »Hilfe!« schreien? Dieser Keller war nicht schallisoliert, deutlich waren von oben Musik und Gelächter zu hören. Ich war sicher, daß man wirklich für das Brautpaar spielte, nicht die ganze Feier für mich inszeniert hatte. Aber gegen diesen Lärm war ich chancenlos, und selbst wenn man mich gehört hätte, wäre man mir bestimmt nicht zur Hilfe gekommen.

    Noch schlimmer war, daß ich bald meine Theorie von der Schmerzunempfindlichkeit kraft Gewöhnung revidieren mußte. Natürlich war nicht »fast eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Schmerz über mich gekommen«, Blödsinn. Die Typen hatten nur für eine Weile die Lust verloren und weniger hart zugeschlagen! Diesen Fehler revidierten sie umgehend. Dann zauberten sie eine Autobatterie und ein Starterkabel hervor. Daß ich nicht einfach ohnmächtig werden konnte! Schon wieder ein Irrtum! Ich fiel ins Schwarze.

    »Hey doctor, wake up!«

    Wake up? Hatte ich nur geträumt? Der Versuch, meinen rechten Arm zu bewegen, belehrte mich eines Besseren. Vorsichtig drehte ich meinen Kopf, schaute mich um. Ich saß in einem Auto, auf der Rückbank. Das Auto fuhr gerade unter den Eisenbahnbrücken in der Yorckstraße nach Osten. Am Steuer saß der Ire, neben ihm sein schwarzer Kollege, der sich zu mir umgedreht hatte.

    »Danke. Ich danke Ihnen«, stammelte ich.

    »Ist okay.«

    »Was

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