Hundertundeine Nacht
waren das für Leute?«
»Was meinen Sie, Doktor? Kollegen von Ihrem Freund Baran?«
Die beiden wußten also ganz gut Bescheid.
»Das glaube ich nicht. Ich glaube eher, die waren von der Kurdistan Liberation Army.«
Nun schaltete sich auch der Ire ein.
»Von der KLA? Warum glauben Sie das?«
»Na ja, die haben mich nach Baran gefragt, also waren das wohl nicht seine Leute. Und Baran ist NUK.«
Mein Hirn schien nicht übermäßig gelitten zu haben, immerhin bekam ich das mit den kurdischen Parteien im Irak hin.
»Also Ausschlußverfahren, Dr. Hoffmann. Wer nicht in der National Union of Kurdistan ist, ist in der Kurdistan Liberation Army. So sehen Sie das?«
Ich nickte – was ein Fehler war.
»Anhalten!« würgte ich hervor.
Rotschopf schaute sich kurz um und erkannte die Gefahr, ohne Zögern fuhr er rechts ran, ich sprang hinaus. Für jemanden, der den ganzen Tag nichts gegessen hatte, konnte ich erstaunlich kräftig erbrechen.
Als ich wieder eingestiegen war und es weiterging, öffnete der Schwarze alle vier Fenster. Praktisch, die elektrischen Fensterheber heutzutage.
»Wo fahren wir eigentlich hin?«
»Wir bringen Sie ins Krankenhaus, Doktor. Mindestens Ihr Kopf muß geröntgt werden, und ein paar Stiche brauchen Sie sicher auch.«
Richtig, wir waren auf dem Weg zur Humana-Klinik. Nicht unbedingt der Ort, wo ich hinwollte. Aber im Moment hatte ich genug damit zu tun, mich möglichst wenig zu bewegen.
Wieder drehte sich Rotschopf kurz zu mir um.
»Viel wissen Sie nicht über die Verhältnisse in Kurdistan, scheint mir.«
Ich sagte nichts, kaum in der Stimmung zu Diskussionen über mein Wissen zu den Verhältnissen in Kurdistan oder sonst wo. »Sie meinen«, sekundierte der schwarze Agent, »es gibt nur die National Union of Kurdistan und die Kurdistan Liberation Army?
Herzliches Wettlachen auf den vorderen Sitzen.
»Doktor, die haben da eine eigene Partei in jedem Tal, und jede davon fühlt sich alleine zur Verteidigung Kurdistans berufen.
Na toll! Da stand mir noch einiges bevor, wenn mich jede dieser Parteien so nett wie die eben fragen würde, wo die Trinkwasseraufbereitungsgiftgasanlage abgeblieben ist.
»Wie viele Täler gibt es in Kurdistan?«
Jetzt fuhren wir durch die Baerwaldstraße, würden schon bald an der Klinik sein. Eine Weile war es still im Wagen. Bis auf die kurdische Hochzeitsmusik, die unvermindert in meinem Kopf dudelte.
»Wir glauben, das waren Leute von den Kurdistan Freedom Fighters.«
Von denen hatte ich tatsächlich noch nie gehört.
»Und warum glauben Sie das?«
»Wir haben läuten hören, daß das Restaurant von den Freedom Fighters finanziert wird.«
»Und was sind das für Leute?«
»Keine guten«, antwortete Rotschopf. »Wenn es drauf ankäme, arbeiten die sogar mit Saddam Hussein zusammen.«
»Behaupten jedenfalls ihre kurdischen Brüder«, schränkte sein schwarzer Kollege ein.
Ich bat, mich eine Querstraße vor der Klinik abzusetzen, da ich einen diskreten Hintereingang nehmen wolle. Wir hielten ein paar Fußminuten von der Humana-Klinik entfernt, aber so richtig vertrauten mir die beiden noch nicht.
»Eines haben Sie hoffentlich heute abend begriffen, Doktor: Vor uns brauchen Sie sich nicht zu verstecken. Wir wollen Sie nur helfen. Wir sind die Guten.«
Tatsächlich? Die beiden hatten mich gerettet, das stimmte, trotz der Sache mit dem Vierundzwanzig-Stunden-Urin am Vormittag, ich sollte ihnen dankbar sein. Aber woher eigentlich hatten sie gewußt, wo sie mich retten konnten?
»Im Augenblick dürften die Kurdistan Freedom Fighters meine Beweglichkeit deutlich eingeschränkt haben. Und bald arbeite ich wieder in der Klinik, spätestens dann brauchen Sie mich nicht mehr zu suchen.«
Bis dahin blieb noch ein wenig Zeit, genug wenigstens, hoffte ich, um herauszubekommen, was die Amerikaner von mir wollten. War das vielleicht nur eine kosmopolitische Variante des Spiels »guter Bulle – böser Bulle« gewesen, um Dr. Hoffmann mit Dankbarkeit und Vertrauen gegenüber dem CIA zu erfüllen? Jedenfalls wartete ich, bis von den beiden nur noch die Hecklichter zu sehen waren, erst dann suchte ich mir ein Taxi.
Schließlich fand ich eins, vorsichtig ließ ich mich in die Polster gleiten. In meinem Kopf dudelte noch immer kurdische Hochzeitsmusik.
Position 08°50’Süd / 13°15’Ost, Luanda (Angola)
Der Stückgutfrachter MS »Virgin of the Sea« wurde von der Transoceanic Shipping Company, Panama, an die Middleeast
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