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Hundertundeine Nacht

Hundertundeine Nacht

Titel: Hundertundeine Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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Überleben braucht ein Krankenhaus heute einen guten Administrator, jemanden, der die Abteilung oder das Haus politisch geschickt leitet und nach außen vertritt. Und da, sage ich Ihnen, haben wir den richtigen Mann.«

    Es war schmerzhaft gewesen, zu dieser Erkenntnis zu gelangen, aber sie stimmte. In aller Unbescheidenheit betrachtete ich mich als den hundertmal besseren Arzt, was mich bei Zentis' fehlender Ausbildung und mangelnden Kenntnissen noch lange nicht zu einer Weltkapazität machte. Aber als Chefarzt war Zentis tatsächlich der ideale Mann, ich hingegen wäre eine Fehlbesetzung. Willkommen im Zeitalter der Funktionäre und Bürokraten!

    Das Thema Chefarzt war vorerst erledigt, aber Dr. Hassan war noch nicht fertig.

    »Übrigens, Dr. Hoffmann, vielleicht habe ich gute Nachrichten für Sie. Aus dem Irak.«

    »Ah, ja?« fragte ich voll Spannung.

    »Also, mein Schwager hat einen Freund beim Militär. Der hat ihm von einer Ausländerin erzählt, von einer deutschen Frau, die man in einem militärischen Komplex im Norden festgehalten hat, nahe der Grenze zum Kurdengebiet. Dieser Komplex wurde vor gut einem Monat von den Amerikanern bombardiert und dabei weitgehend zerstört, viele Soldaten mußten sterben. Dabei soll diese deutsche Frau entkommen sein. Das war wahrscheinlich die Sache, die mein Onkel neulich meinte. Denken Sie nur, vielleicht war das Ihre Freundin! Dann könnte sie zum Beispiel rüber zu den Kurden geflüchtet sein, ist möglicherweise schon in der Türkei. Oder im Iran, jedenfalls vielleicht bald zu Hause!«

    Abdul Hassan schien richtig glücklich, gerade so, als ginge es um seine Freundin, oder seine Schwester. Hatte ich unseren fleißigen Gastarzt zu Unrecht verdächtigt?

    Wahrscheinlich, denn wie sonst war zu erklären, daß ausgerechnet die Partei mit dem fraglos größten Interesse an dieser Ultrapumpe meiner Einladung in die alte Schokoladenfabrik nicht gefolgt war? Das konnte doch einzig daran liegen, daß man sie nicht informiert hatte, Dr. Hassan also weder der irakischen Botschaft noch direkt dem irakischen Geheimdienst berichtete. Trotzdem, noch obsiegte meine Vorsicht. Ich dankte Dr. Hassan herzlich, verriet ihm jedoch nichts von Celines Rückkehr. Wohl eine unnötige Vorsicht, denn er hatte eine weitere Mitteilung für mich.

    »Noch etwas, Dr. Hoffmann. Sie sollten im Moment den Kreis der Leute hier in der Klinik, die über Ihre Freundin und ihr Projekt Bescheid wissen, nicht unbedingt erweitern.«

    Damit schien er sich ziemlich eindeutig auf seinen Landsmann zu beziehen, unseren neuen Gastkollegen aus dem Irak. War der das eigentliche Bindeglied zur Botschaft? Oder sah ich überall Gespenster, gab es am Ende gar kein solches Bindeglied? Noch einmal dankte ich Dr. Hassan und zog mich zurück in mein Zimmer, um den Stapel dort abzuarbeiten und mich über unseren neuen Herrn Chefarzt zu ärgern. Und mich darüber zu ärgern, daß ich mich ärgerte.

    Eine kleine Peinlichkeit hielt dann noch das Mittagessen in der Personalcafeteria für mich bereit. Artig hatte ich mich in die Schlange eingereiht, die auf »Königsberger Klopse« wartete, als mir das Kichern langsam auf die Nerven ging. Ich drehte mich um – kein Wunder, Schwesternschülerinnen!

    »Na, Herr Doktor. Nehmen Sie uns mal mit ins Kino?«

    Ich schaute genauer. Es waren nicht die Mädchen, die meinen diskreten Abgang aus dem Pornokino neulich beobachtet hatten. Offensichtlich hatten sich meine vermeintlichen cineastischen Vorlieben inzwischen auch noch an der Klinik herumgesprochen!

    Die Sonne ist inzwischen ein riesiger Feuerball knapp über dem Horizont, der Wannsee ein kupferrotes Meer. Von Zeit zu Zeit biegen sich die jungen Kiefern in einem Windstoß, Vorboten des heraufziehenden Regens.

    »Und da konntest du einfach so fliehen?«

    »Natürlich hatte ich eine Scheißangst. Aber die war wegen der Bomben, der einstürzenden Wände, überall war Feuer rund um mich. Nicht wegen der Soldaten, die schenkten mir überhaupt keine Beachtung. Sie rannten kreuz und quer durch die Gegend, versuchten ihre Kameraden aus den Trümmern zu ziehen, die Feuer zu löschen. Es war das absolute Chaos, niemand gab Befehle, niemand versuchte die Sache zu organisieren. Vielleicht hatte es den Kommandanten und die Offiziere erwischt. Außerdem war ich in Hosen, mit angesengten Haaren und rußgeschwärztem Gesicht, so konnte man mich auch gar nicht erkennen. Ich bin da einfach nur hinausspaziert.«

    Wie im Film sehe ich Celine

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