Hundherum glücklich - Ein Freund. Ein Buch.
Pfote auf den südlichsten Punkt der Erde setzte? Schwierige Frage. Man müsste ja eigentlich noch tiefer schürfen und fragen: Ist es überhaupt wichtig, dass je ein Mensch am Südpol war, an einer der wenigen Stellen der Erdkugel, an der es nichts zu sehen, nichts zu essen und nichts zu erobern gibt, und die sich in nichts von ihrer Umgebung im Umkreis von vielen hundert Quadratkilometern unterscheidet?
Für Hunde ist so etwas bestimmt nicht wichtig. Aber für Roald Amundsen war diese Frage wichtiger als alles andere auf der Welt.
Berufswunsch: Polarforscher
Roald Engelbregt Gravning Amundsen war fünfzehn Jahre alt, als er durch Zufall die Tagebücher des Polarforschers Sir John Franklin in die Hände bekam und sie nicht mehr weglegen konnte. Nach dieser Lektüre stand für den Jungen fest, was er später werden wollte: der allererste Mensch am Nordpol.
Und dieser Wunsch legte sich nicht mit zunehmendem Alter, wie solche Wünsche es manchmal tun, er wurde sogar immer stärker. Mit ungewöhnlicher Zielstrebigkeit kämpfte der junge Norweger daher jahrzehntelang um die Verwirklichung seines Jugendtraums.
Amundsen las alles über den Nordpol, was er auftreiben konnte, und er trainierte seinen Körper. Wann immer es möglich war, durchschritt er Schneewüsten und bestieg Gletscher, er lebte bei Eskimos und gewöhnte sich dort an das Überleben im ewigen Eis. Er lernte auch, wie man ein Schiff steuerte, erwarb das Kapitänspatent, organisierte Sponsoren, kaufte die notwendige Ausrüstung und fand Begleiter. Doch als Roald Amundsen mit siebenunddreißig Jahren kurz davorstand, endlich in See stechen zu können, erreichte ihn die Nachricht, dass zwei andere schneller gewesen waren. Die beiden Amerikaner Robert Edwin Peary und Frederick Cook behaupteten beide unabhängig voneinander, als Erste den geografischen Nordpolerreicht zu haben, und damals gab es – anders als heute – noch keinen Grund, an der Wahrheit ihrer Aussagen zu zweifeln.
Mehr als zwanzig Jahre lang hatte Amundsen sich systematisch darauf vorbereitet, als Entdecker in die Geschichtsbücher einzugehen; jetzt stand er vor dem Nichts. Und eine Alternative gab es nicht. Fast alles rund um den Globus war inzwischen erforscht. Amerika war entdeckt, Afrika durchquert, die Geheimnisse Australiens waren gelüftet, und jetzt war auch noch der Nordpol bezwungen. Das einzige unbekannte Fleckchen Erde, das ihm noch Berühmtheit verschaffen konnte, war der Südpol, und den steuerte gerade ein anderer an: der Brite Robert Falcon Scott.
Oder gab es doch eine Alternative?
Plan B: Der Südpol
Robert Falcon Scott war ein anderes Kaliber als Roald Amundsen. Der Sohn eines Rosenzüchters hatte als Marineoffizier Karriere gemacht und bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr noch nie eine Schneeflocke gesehen, bevor er 1901 erstmals in die Antarktis schipperte und dort erste Erfahrungen mit dem ewigen Eis sammelte. Dennoch stach er am 1. Juni 1910 mit seinem Forschungsschiff »Terra Nova« ein zweites Mal in London in See und nahm Kurs auf den Südpol. Was ihm an Erfahrung fehlte, hoffte er mit Tatkraft, Disziplin und britischem Entdeckergeist auszugleichen.
Amundsen fackelte in dieser Situation nicht lange. Offiziell behauptete er nach wie vor, sein Ziel sei der Nordpol, aber als er im August desselben Jahres mit seinem Forschungsschiff »Fram« in Norwegen ablegte, hatte er längst beschlossen, stattdessen den Südpol anzusteuern.
Das wusste allerdings zunächst niemand. Selbst seine Mannschaft weihte er erst in seine Pläne ein, als sich die Fram bereits auf hoher See befand. Auch an Scott ließ er jetzt ein Telegramm schicken, um ihm nun endlich mitzuteilen, dass er sich in einem Wettrennen befand.
Am Rande des Schelfeises, in der »Bucht der Wale«, trafen sich die beiden Rivalen zufällig und waren darüber beide wenig erfreut. Rasch gingen beide Mannschaften wieder ihre eigenen Wege.
Hund oder Pferd
Heute wissen wir: Der Weg von Amundsen führte zum Erfolg, der von Scott in den Tod. Ursache dafür war aber nicht die unterschiedliche Marschroute der beiden, sondern ihre Wahl des Transportmittels. »Der größte Unterschied zwischen meiner und Scotts Ausrüstung bestand ohne Zweifel darin, dass ich Hunde mitnahm, er aber nicht«, so schrieb Amundsen rückblickend in seinem Buch Die Eroberung des Südpols.
Scott nämlich setzte beim Transport auf Motorschlitten und Ponys. »Hunde sind etwas für Eskimos, nicht für Engländer!«, äußerte er selbstbewusst.
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