Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
Vom Netzwerk:
ist«, flüsterten ihm die Frauen draußen in der Küche zu, »frag ihn, wieso er erst so spät heimgekommen ist, los, geh rein und frag deinen Onkel.« Appelkopp marschierte ins Wohnzimmer, um seinen Onkel zu fragen, und er kehrte zurück in die Küche, um mitzuteilen, daß Askild bis zum Hals in der Scheiße gesteckt und Hitlers Hunde mit Rattengift gefüttert hatte, aber die Hunde hätten das nicht besonders gemocht, sie wollten lieber den Onkel.
    »Heilige Jungfrau!« entfuhr es Mutter Randi, die nach Askilds Verhaftung zu einer eifrigen Kirchengängerin geworden war und jeden Mittwochabend unter der strengen Leitung von Probst Ingemann in der nahe gelegenen Kirche am Bibelkreis für Frauen mit Männern auf See teilnahm. Daher ihre neue Angewohnheit, die Heilige Jungfrau anzurufen, obwohl sie eigentlich gar keine Katholikin war.
    »Was ist da draußen eigentlich los?« war Askild aus dem Wohnzimmer zu vernehmen. »Könnt ihr nicht mal ein bißchen leise sein? Ich versuche zu schlafen.«
    »Entschuldige, Askild, mein Schatz«, flüsterte Mutter Randi, kam ins Wohnzimmer und legte ihm eine Decke über, damit er seinen Mittagsschlaf machen konnte, und plötzlich ertappte sie sich dabei, wie sie die Wiegenlieder summte, die sie ihm als kleinem Jungen vorgesungen hatte.
    Hätte Appelkopp nicht gewußt, daß Männer nicht weinen können, er hätte später beschworen, daß der Onkel weinte, als Mutter Randi die Wiegenlieder sang, genau dort, im Schaukelstuhl vor ihnen allen. Bjørk starrte abwesend in die Luft, weil Askilds Heimkehr nicht gerade die Art von Heimkehr war, die sie sich erträumt hatte. Auch nicht, als sie bereits die dritte Nacht mit ihm im Schlafzimmer der Schwiegereltern schlief; Vater Niels und Mutter Randi waren ins Gästezimmer gezogen, für Askild war ihnen in den ersten paar Monaten nichts gut genug. Eigentlich stand fest, daß sie heiraten würden, sobald er wieder genügend Speck auf den Rippen hatte, um auf den Hochzeitsbildern ein wenig stattlicher auszusehen, und doch hatte Bjørk das Gefühl, daß ihr irgend etwas fehlte.
    In der ersten Nacht, in der sie zusammen schliefen, hatte sie Askild gebeten, du-weißt-schon-was nicht zu tun, bevor der Pastor sie nicht gesegnet hatte. Askild hatte sehr ernst genickt und war dann einfach eingeschlafen, ohne überhaupt irgend etwas zu versuchen. Aber das war nicht einmal das Schlimmste.
    Das Schlimmste war, daß er nichts über seine Jahre in Deutschland erzählen wollte, und sie sich mit den, um es milde zu formulieren, unzusammenhängenden Ohrenzeugenberichten des sechsjährigen Appelkopp zufriedengeben mußte.
    Gleichzeitig gab es so viele Dinge, die Bjørk liebend gern mit Askild geteilt hätte, die Tatsache zum Beispiel, daß sie alles über seine Schmuggelei wußte. Sie hatte das Geld daheim in einer Schachtel unter ihrem Bett liegen und versuchte mehrfach, das Thema anzusprechen, aber immer vergeblich. Askild wollte kein Wort mehr über seine Zeit als Großschmuggler hören. So besessen war er von dem Gedanken, von vorn zu beginnen und alles hinter sich zu lassen, daß er sogar kurz davor war, seine unendliche Sehnsucht nach dem Anblick der jungen Bjørk, eingehüllt in eine rosafarbene Decke unter den Birken am Kalfarvei, zu vergessen.
    In den Wochen nach seiner Rückkehr war er kaum dazu zu bewegen, die Wohnung auf Skansen zu verlassen, doch wann immer er sich herauswagte, wunderte er sich über seine mystische Verwandlung. Die Jungen umringten ihn wie einen heimgekehrten Helden.
    »Da kommt der Zimmermann!« riefen sie. »Zeig uns, wie du den deutschen Hund geschlagen hast, zeig’s uns mit deinem Stock!«
    Das Gerede über den Schmuggler und Kriminellen Askild Eriksson verschwand wie Tau in der Sonne; mein Großvater wurde mit freundlichen Blicken bedacht, und bewundernde Gesichter lächelten ihm zu, wenn er in Bergen spazierenging, stolz nickte und feste Handschläge ihn als Sohn und Befreier begrüßten. »Guten Tag, mein Herr, willkommen daheim, mein Herr«, hieß es überall. Es dauerte nicht lange, bis eine freundliche dreiköpfige Delegation der nun frei patrouillierenden Heimatwehr an die Tür auf Skansen klopfte, um meinem überraschten Großvater als Anerkennung für seine patriotische Gesinnung und seinen selbstlosen Wagemut eine Armbinde der Widerstandsorganisation Milorg zu überreichen.
    Im Laufe des Sommers begannen sich zwei Segelohren zu regen. Zwei Segelohren, die wie Flügel um sich schlugen und in Bjørks Bauch ein

Weitere Kostenlose Bücher