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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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merkwürdiges Rumpeln verursachten, bis es sich schließlich nicht mehr länger aufschieben ließ: in Bergen und Umgebung war das Läuten von Hochzeitsglocken zu hören. Appelkopp durfte Askilds Bräutigamsführer sein, während Ejlif, der den ganzen Weg von Børkersjø gekommen war, Bjørk zur Seite stand und seinem alten Freund und Saufkumpanen beifällig zuzwinkerte. Er hatte nun ausreichend Speck auf den Rippen, um auf den Hochzeitsbildern stattlich genug auszusehen.
    Beim Klang der Kirchenglocken erhob sich Vater Thorsten aus seinem Bett und wankte nach draußen auf die Straße; dort brach er zusammen und wurde später von dem lärmenden Brautzug gefunden. Der Bräutigam persönlich trug ihn zurück ins Bett – Askild zog einen Strich unter die Vergangenheit, nun trug er niemandem mehr etwas nach. Bjørk lächelte ihrem Bräutigam zu und wärmte sich an der Glut seines Großmuts, dann zog der Brautzug weiter nach Skansen, dort wurde gesungen und getanzt, und Deutschland war weit, weit weg …
    Eigentlich ein ganz wunderbarer Start in ein neues Leben, hätte es nicht den pulverisierten Speckbacke und den entsetzten Herman Hemning gegeben, die Askild viele Jahre lang jede Nacht um halb vier mit einer Meute heulender Bluthunde weckten und meinen Großvater zu einem ausgeprägten Frühaufsteher werden ließen. Fangt endlich an , brüllte SS -Rottenführer Meyer, los, ihr Schweinehunde , schrie der Gemeine, und Askild fuhr auf und frühstückte im Dunkeln, während Bjørk im Schlafzimmer stöhnte. »Komm jetzt ins Bett, Askild«, rief sie, »komm her und benimm dich wie mein Ehemann!« Es gab durchaus Grenzen der Nachsicht. Zwei Jahre in deutschen Konzentrationslagern, schlimm genug, aber trotzdem.

Neues Leben im alten Klo
    E s ist Abend, als der Zug in meiner Heimatstadt hält; ich laufe direkt weiter zu einem Stadtbus, und zehn Minuten später überrasche ich in der Einfahrt meine Schwester, die gerade den Mülleimer hinausträgt.
    »Besser spät als nie«, sagt sie und grinst.
    Obwohl es einige Jahre her ist, seit ich sie das letzte Mal sah, hat sie sich nicht sonderlich verändert. Noch immer wirkt sie ein bißchen wie eine Meerjungfrau. Sie wirft die Tüte in die Mülltonne und kommt, um mich zu umarmen. Einen Augenblick stehen wir dicht beieinander in der Dunkelheit, dann zieht sie mich ins Wohnzimmer, wo Kaj auf seiner Stange sitzt und nervös mit den Flügeln schlägt. »Wer da!« krächzt er. Kurz darauf kommen die beiden Kinder von Stinne hereingelaufen, sie haben eine künstliche Nase dabei, um die sie sich lautstark zanken.
    »Schluß jetzt!« ruft Stinne. »Legt die Nase weg und sagt eurem Onkel guten Tag.«
    »Bist du das, der vor Hundeköpfen Angst hat?« fragt der Größere und schaut mich neugierig an.
    »Hatte«, korrigiert ihn Stinne und lächelt verlegen, »inzwischen hat er keine Angst mehr vor Hundsköpfen, jetzt ist er erwachsen, nicht wahr?«
    Ich weiß nicht so recht, was ich antworten soll, aber ich mag die Mehrzahl. Hundsköpfe … das wirkt so herrlich befreiend. Es war allerdings nur ein Hundskopf, und in der letzten Zeit habe ich wieder mehr und mehr an ihn denken müssen.
    »Darf ich die Nase mal sehen?« frage ich.
    Einen Moment später stehe ich mit einer weichen Plastiknase da, die so echt wirkt, daß es schon beinahe unheimlich ist. »Braucht er sie nicht mehr?« will ich wissen und wiege sie in der Hand.
    »Nein«, antwortet Stinne, »er raucht zuviel. Sie ist zu gelb geworden.«
    Ich lege die Nase auf den Tisch. Jesper arbeitet noch, und als wir später im Wohnzimmer sitzen und Wein trinken, fällt mir eins von Großvaters alten Gemälden ins Auge, das hinter einer Tür hängt, so gut versteckt wie überhaupt möglich. Ich fahre leicht zusammen, denn es ist dasselbe Bild, das in unserem Elternhaus hing. Vater hatte es aufgehängt, um Krach mit Großvater zu vermeiden, und nun ist es das einzige Bild, das übriggeblieben ist. Es zeigt eine menschliche Gestalt in Großvaters bekanntem epigonal-kubistischen Stil, so wie er es auf Reproduktionen von Picasso, Georges Braque und Cézanne Ende der vierziger Jahre gesehen hatte. Am besten gefielen Askild Picassos Portrait von Ambroise Vollard , bei dem er an sich selbst denken mußte, Die Violine , das ihn an das infame Heulen in seinem linken Ohr erinnerte, und Badende mit Spielzeugboot , das sich mit der Zeit zu einem eher versöhnlichen Bild der Katarina im Morgennebel wandelte. Das hat er mir kurz vor meinem Umzug nach Amsterdam

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