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Hundsköpfe - Roman

Hundsköpfe - Roman

Titel: Hundsköpfe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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bediente er sich aus dem erst kürzlich angeschafften Flachmann, der wie der Stock zu einem festen Begleiter seines Lebens werden sollte. Aber selbst die geschlossene Hintertür der Wohnung konnte nicht verhindern, daß ein fauliger Geruch durch die Spalten und Ritzen drang. Bjørk seufzte, öffnete die Fenster und lüftete, aber nichts half, und wenn Askild irgendwann in die Küche kam, um zuzusehen, wie sie das Kind badete, fragte sie: »Wieso stehst du denn da und gaffst?« Wenn er für seinen Sohn singen wollte, sagte sie: »Du erschrickst das Kind mit deiner Stimme«, und wenn er sich über die Wiege beugte, um ihm einen Kuß zu geben, sagte sie: »Du kratzt doch das Kind mit deinen Bartstoppeln, Askild, laß das jetzt.«
    Gleichzeitig war es vorbei mit ihrer sprachlosen Dunkelheit. Jetzt gab es einen anderen, der den Platz an ihrer Brust einnahm, und verbannt auf die Hintertreppe, erreichte Askilds Besessenheit von Schnaps und Terpentin neue Dimensionen.
    Askilds Lungen, die bereits durch die Jahre in den undichten Baracken in Deutschland geschwächt waren, tat das feuchte Klima der Hintertreppe, die Terpentindämpfe und sein steigender Tabakverbrauch nicht gut. Es dauerte nicht lange, bis er auf der Werft Schweißhallen oder geschlossene Schiffsräume nicht mehr betreten konnte, in denen der Staub in dichten Wolken hing und ihn zum Husten brachte und nach Luft schnappen ließ. Er schloß sich in seinem Konstruktionsbüro ein, verbrachte seine gesamte Zeit über dem Reißbrett und kam niemals heraus, um sich die Umsetzung seiner Zeichnungen in Eisen und Stahl anzusehen. Das Resultat war, daß seine Konstruktionszeichnungen allmählich ihren Charakter änderten. Etwas Phantasievolles schlich sich ein, kräftig unterstützt von den Spritgeistern und den kubistischen Projekten auf der Hintertreppe. Askild selbst war der Ansicht, daß er etwas absolut Neuem auf der Spur war, das die Arbeitsabläufe auf der Werft revolutionieren würde; aber nicht alle waren seiner Meinung. »Diese verdammten Ingenieure«, fluchten die Schmiede in der Schweißhalle, »sitzen da an ihren Reißbrettern und haben keinen Schimmer von der Wirklichkeit!«
    »Zum Teufel«, sagten die Elektriker, »man weiß bei diesen Zeichnungen ja nicht, wo hinten und vorne ist.«
    »Scheiße!« brüllten die Werkmeister. »Was zum Teufel ist das hier bloß?«
    Mit den Monaten wuchs die Unzufriedenheit, und eines Tages erschien eine dreiköpfige Delegation und legte ihre Klagen dem Chef vor, der ihnen eine Viertelstunde ernst zuhörte. »Na ja«, sagte er hinterher, »die Fehler werden wir wohl korrigieren müssen. Kopf hoch, Männer!« Bevor die Delegation jedoch unverrichteter Dinge wieder abzog, schloß er die Tür und flüsterte: »Es ist der Zimmermann, zum Teufel, was soll ich denn eurer Meinung nach machen? Ich kann doch wohl kaum den Zimmermann rausschmeißen, oder? Seid ihr euch darüber im klaren, was das bedeutet?«
    Der Chef beschloß trotzdem, mit Askild zu reden.
    »Ich weiß, du bist gut«, sagte er eines Tages nach Feierabend zu ihm, »aber manchmal kann man so gut sein, daß man glaubt, es ginge auch ohne den Kopf.«
    Erst als er eine halbe Stunde später mit seinem Arbeitskollegen Ingolf Fischer im Wirtshaus saß, fand Askild Worte für seine Frustration: kleine Leute, kleine Gedanken, Bauernquatschköpfe … Ingolf nickte verständnisvoll, er war es ja, der Askild mit dem Jazz und dem Kubismus bekannt gemacht hatte.
    Auf dem Heimweg fing es an zu schneien, der Herbst war in Bergen eingezogen, und Askild erinnerte sich an ein Gefühl, das in ihm keimte, seit man ihn als jungen Mann aus Thorstens Kontor gewiesen hatte, und er sich mit seiner Examensurkunde und einem Verlobungsring in der Tasche in den Straßen der Stadt herumtrieb – an das Gefühl von Aufbruch und einem Neubeginn, der am Horizont lockte. Damals in Schweden wäre er beinahe nach Göteborg gegangen, um neu anzufangen, und als Jüngling hatte er immer dieses Gefühl gehabt, wenn das Schiff aus dem Hafen lief und alles dampfte vor Gischt.
    Als Askild einen Monat später eine Stellenanzeige in der Bergens Tidende las, die von einer Werft in Oslo aufgegeben war, zögerte er nicht einen Augenblick. Er griff zum Telephon, und bereits am nächsten Tag klopfte er in der Mittagspause an die Tür zum Büro des Chefs und erklärte ohne Umschweife: »Ich habe Arbeit in Oslo bekommen. Dort wird man mein Talent zu würdigen wissen.« Der Chef bedauerte, daß Askild sich gezwungen

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