Hundsköpfe - Roman
bekommen, und ich habe Luft im Bauch! Ruf meine Mutter an!«
Randi lief erschrocken zum Telephon, um noch einmal Dr. Heinz anzurufen, der nun aber wirklich nicht die Zeit hatte, ständig nach Bjørk zu sehen. »Wenn das Mädchen Luft im Bauch hat, dann schicken Sie sie auf den Lokus«, riet er mit einer gewissen Resignation in der Stimme, »sie ist noch nicht soweit.«
Also saß Bjørk draußen auf dem Plumpsklo, schweißgebadet und mit einem stechenden Schmerz in den Oberschenkeln, als Askild von der Werft kam. In der Tasche hatte er eine zerknitterte Reproduktion von Picassos Violine , die sofort auf dem Eßtisch ausgebreitet wurde. »Was ist denn das für ein Unfug?« war seine Reaktion, als er erfuhr, daß Bjørk auf Anweisung von Dr. Heinz auf dem Klo saß. Er rief den Arzt an, der die Anrufe ehrlich gesagt allmählich leid war. Er saß eben beim Abendbrot, doch als Askild die Stimme hob, hatte er Nachsicht mit dem werdenden Vater und versprach: »Okay, ich komme in einer Stunde.«
Noch bevor die Stunde vergangen war, drückte Bjørk ein fürchterlicher Schmerz die Luft aus den Lungen, und etwas Segelohriges wollte hinein in die Welt und preßte sich immer weiter heraus. Sie wäre gern aufgestanden und zurück zum Sofa gegangen, aber von den stechenden Schmerzen wurde ihr schwindelig, und während Appelkopp im Wohnzimmer staunend zusah, wie der tote Vogel anfing, sich wieder zu bewegen – »der flog einfach davon«, sagte er später, »ich hab’s selbst gesehen!« –, kam zwischen Bjørks Beinen etwas Unförmiges zur Welt, machte Bekanntschaft mit der Schwerkraft und fiel in die stinkende Plumpsklobrühe aus Scheiße und Chemikalien. »Askild!« schrie Bjørk, als sich die Wände um sie zu drehen begannen – und Auftritt Askild mit einem wilden Ausdruck in den Augen, er steckte beide Arme ins Klo und fing an zu wühlen, daß Wellen aus Scheiße um ihn herum aufspritzten. Er bekam etwas Längliches in die Hand, es hätte durchaus eine Nabelschnur sein können, er griff zu und zog das kleine Neugeborene mit einem Gesichtsausdruck heraus, der ihn wie einen Angler aussehen ließ, der einen ordentlichen Dorsch am Haken hat. »Ein Junge!« rief er, nachdem er als erstes die Geschlechtsorgane des kleinen Wesens untersucht hatte. »Es ist ein Junge, verdammt, wie haben wir das gemacht!«
Jetzt kam auch Randi dazu, Wasser wurde abgekocht, und der Säugling war gewaschen, noch bevor Dr. Heinz zur Tür hereinkam und murmelte: »Das darf doch nicht wahr sein … ins Klo …« Doch trotz seiner frühzeitigen und ein wenig unvermittelten Einführung in die harte Realität des Lebens, wurde der Junge für gesund und munter erklärt, in eine Decke gewickelt und im Wohnzimmer den Eltern präsentiert. Beide wunderten sich über die großen Ohren des Säuglings, die bis dahin die stinkende Fruchtblase verborgen hatte. »Wonach sieht er denn bloß aus?« flüsterte Askild, aber keiner der Anwesenden mochte ihm antworten.
»Wau!« sagte Appelkopp in den folgenden Wochen und beugte sich mehrfach täglich über seinen Vetter. »Was für Ohren! Von wem hat er die?«
»Nicht aus unserer Familie«, behauptete Mutter Randi.
»He!« rief Appelkopp und machte große Augen, »die bewegen sich. Ich hab’s gesehen!«
»Hört schon auf, über seine Ohren zu reden«, seufzte Bjørk und war sich sicher, daß es weitaus mehr positive Dinge gab, auf die man sich konzentrieren konnte. »Schaut euch die Nase an«, sagte sie, »seht mal, wie zart sie ist, guckt euch seine Augen an, sind sie nicht bezaubernd? Er wird einmal etwas Großes werden.« – »Mutters kleiner Junge«, sang sie morgens, mittags und abends, »es wartet eine leuchtende Zukunft auf dich, dich, dich.«
»Was denn«, wollte Appelkopp wissen, »Feuerwehrmann vielleicht … oder Staatsminister?«
Bjørk bat ihn, still zu sein, das Kind sollte schlafen, und wenn Askild abends von der Werft kam und seinen unversöhnlichen Geruch nach Alkohol, Eau de Toilette und Terpentin verbreitete, sagte sie wieder: »Psst … Das Kind schläft. Sei ein bißchen leise, Askild. Kannst du nicht mit deinen Malsachen auf die Hintertreppe gehen? Nein, du sollst das Kind nicht kitzeln, hör auf, ihn zu ärgern.«
Askild, der durchaus der Ansicht war, daß er das Recht hatte, seinen eigenen Sohn unter dem Kinn zu kitzeln, verschwand unter schwachem Protest auf der Hintertreppe, um an seinem Gemälde weiterzuarbeiten, das später den Titel Neues Leben im alten Klo bekam; dabei
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