Hundsleben
Gerhard rang kurz mit
sich, aber sie würde es früher oder später erfahren. Besser von ihm als aus der
Zeitung oder bei »Explosiv«.
»Frau Eisele, ich fürchte, Frau Pfaffenbichler wird
nicht wiederkommen.«
Erika Eisele starrte ihn mit offenem Mund an. »Wie –
nicht wiederkommen? Natürlich kommt sie zu ihren Lieblingen zurück. Sie wird
sagen: Jetzt erst recht, Erika, wir beugen uns nicht, das wird sie sagen.«
»Leider ist Frau Pfaffenbichler in Berlin verstorben«,
sagte Gerhard lahm. Darin war er gar nicht gut, im Informieren von Angehörigen.
Evi fehlte hier. Aber Evi war ins Fränkische aufgebrochen. Vorweihnachtlicher
Heimaturlaub in Neustadt an der Aisch.
»Verstorben? Sie war pumperlgesund!« Frau Eisele sah
ihn kuhäugig an.
»Genauer gesagt wurde sie ermordet. Erschlagen, bevor
sie die Vernissage eröffnen konnte. Wir wissen sonst aber noch gar nichts.
Keine Hintergründe. Es tut mir leid, Frau Eisele.« Gerhard hatte sich an einem
verständnisvollen Ton versucht, aber der war ihm nicht so ganz gelungen.
Erika Eiseles Mondgesicht verlor alle Farbe. Sie
schlug die Hände vors Gesicht und weinte los wie eine Heulboje. Das rief eine
Krankenschwester auf den Plan. »Na toll, sehr förderlich für den
Heilungsprozess. Jetzt aber raus mit Ihnen!«
Mit einem »Entschuldigung« flüchtete Gerhard. Der
Geruch hatte ihm sowieso zugesetzt. Auf dem Weg zum Auto fingerte er die Karte
von Moritz heraus. Der meldete sich sofort.
»Entschuldigen Sie, Moritz, eine Frage. Haben Sie Frau
Pfaffenbichler in Berlin angerufen, sie informiert über den Anschlag auf ihre
Hunde?«
»Nein, ich habe kurz überlegt, aber ich wusste nicht,
was ich sagen sollte. Ich war …« Er atmete tief durch. »Ich war zu feig«, brach
es dann aus ihm heraus.
»Ich versteh Sie da gut«, sagte Gerhard. »Danke, das
war’s schon. Ach, wie geht’s denn den Hunden?«
»Die sind in Fürstenfeldbruck untergekommen. Alle noch
ziemlich verstört. Ich kümmer mich drum. Ich bleib dort, ich meine, auf dem Gut
ist ja nichts für mich zu tun. Mal sehen, wann Frau Pfaffenbichler wiederkommt
…«
Nun war es an Gerhard, tief durchzuatmen. »Moritz,
Frau Pfaffenbichler wurde in Berlin ermordet. Was das mit den Hunden zu tun
hat, weiß ich nicht. Es kann gut sein, dass ich Sie nochmals befragen muss.
Darf ich Sie bitten, momentan möglichst wenig Wind zu machen? Der Sturm wird in
den nächsten Tagen via Privatfernsehen sowieso über uns hinwegfegen. Und ich
würde Ihnen raten, jedes Gespräch mit den Medien abzublocken, höchstens mit der
Lokalpresse oder der SZ . Aber
lassen Sie sich Ihre Zitate zeigen, autorisieren Sie das Ganze. Das hier ist
extrem heikel.«
Es war still am anderen Ende. »Moritz? Sind Sie noch
dran?«, fragte Gerhard.
»Ja, das haut mich etwas aus den Socken«, sagte Moritz
schließlich.
»Versteh ich. Ach, Moritz, was für ein Typ ist Herr
Herz?«
Moritz lachte. »Im Prinzip harte Schale, weicher Kern.
Eine guade Haut. Ohne die Weiber, die immer gleich so hysterisch werden, hätte
sich das Problem mit der Chantal sicher lösen lassen. Er mochte Frau
Pfaffenbichler nicht, noch weniger aber mochte er die Gassibande.«
»Gassibande?«
»Ja, die Hundewalker, unsere Paten, die mit Hunden
spazieren gegangen sind. Da gab es Probleme, weil die Hauptspazierroute an
seinen Feldern entlanggeht«, sagte Moritz.
»Und? Er hat doch selber Hunde.« Gerhard verstand nur
Bahnhof.
»In dem Fall geht es um Scheiße, ich meine
Hundescheiße. Kacken die Hunde in die Wiesen, verunreinigt das das Tierfutter.
Angeblich führt das bei Kühen und Schafen zum Verwerfen. Die Fronten waren da
ziemlich verhärtet. Die Weiber haben darauf bestanden, dass er so Automaten mit
Kacktütchen aufstellt, und er war der Meinung, dass die ihre Tütchen gefälligst
selber mitbringen sollen.«
Gerhard war geneigt, dem unbekannten Herrn Herz
zuzustimmen, seine Wiesen waren schließlich Privatgrund. »Frau Eisele war der
Meinung, dass Herr Herz so weit gehen würde, Frau Pfaffenbichler zu
vertreiben.«
»Dass der Herz die Hunde …? Na, ich weiß nicht.«
Moritz machte eine Pause. »Aber bis gestern hätt ich auch nicht gedacht, dass
jemand … Na, Sie wissen schon.«
»Und Frau Pfingster?«, fragte Gerhard nun.
Moritz lachte. »Klasse Frau, züchtet Sauen. Betreibt
seit Jahrzehnten Tierschutz an der Basis. Ist halt nicht so schnieke auf dem
Hof. Münchner Schickis holen sich da sicher keine Katze.«
»Frau Eisele glaubt, dass Frau Pfingster
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