Hundsleben
Idee
gewinnen. Und dann kennt sie ja auch all die Schauspieler. Die gute Britt
Göttlöber zum Beispiel. So eine feine Frau!«
»Ja, das sagten Sie bereits. War da ›Sternenhunde‹
nicht sauer, denen sind ja Mitglieder genommen worden?«
»Meine Güte, das ist ja kein Verbrechen. Es geht ja
nur ums Wohl der lieben Tiere«, rief Frau Eisele.
Genau das wagte Gerhard zu bezweifeln. Er ging in die
Offensive. »Aber irgendjemand mochte die lieben Tiere nicht, oder?«
»Der Herz. Der Herzer Schorsch zum Beispiel, der fette
Neidhammel!«
Das kam wie aus der Pistole geschossen. Ja, da war sie
wieder, die dunkle Seite der Frau Eisele.
»Und das ist wer?«, fragte Gerhard.
»Der wohnt auch in Hiebler. Er züchtet Dalmatiner.
Sind sowieso komplett aus der Mode. Und bloß weil der Arco seine Chantal
gedeckt hat …«
»Frau Eisele, langsam bitte. Einer Ihrer Hunde hat
eine Hündin eines Züchters gedeckt? Ich meine, weil das Liebe auf den ersten
Blick war, also nicht beabsichtigt?« Gerhard konnte sich eine gewisse Ironie
jetzt nicht mehr verkneifen.
»Wir haben Hundepaten und auch Leute, die unsere Hunde
spazieren führen, und dann ist eben einem der Arco ausgekommen und rüber zum
Herz.«
»Der eine teure Zuchthündin gedeckt hat?«
»Ja und? Der soll sich nicht so anstellen. Das wurden
ganz liebe Welpen. Der Arco ist ein prächtiger Schäfer-Kuvasz-Mischling aus
Ungarn, das sind wirklich auch ganz besonders liebe Welpen geworden. Geschöpfe
Gottes, sie alle.«
Frau Eisele begann wieder zu weinen. Gerhard glaubte
sich an den Hund zu erinnern, den hatte Moritz an der Leine gehabt, einer der
Überlebenden.
»Aber der Herr Herz fand das nicht so lustig?«, fragte
er vorsichtig.
»Nein, er prozessiert. Er will Schadensersatz. Dabei
hat Lea Pia angeboten, ihm die Welpen abzukaufen. Zum Preis von Rassehunden.
Aber er hat abgelehnt. Das ist ein Streithammel, der mochte uns von Anfang an
nicht. Stellen Sie sich das mal vor!«
Ja, Gerhard stellte sich das vor. Diese Frau Lea Pia,
Lepipfa! Pfaffenbichler schien ja keinem Fettnapf aus dem Weg gegangen zu sein.
»Aber glauben Sie denn, dass er, ein Hundefreund, Hunde ermordet? Auf so eine
Weise?«
»Der schon, der Sack!« Aus Frau Eisele sprach pure
Verzweiflung. »Er hat Lea Pia gehasst!« Plötzlich verlor ihr Gesicht jede
Farbe. »Und die alte Pfingster hasst sie auch.«
»Die wer?« Gerhard gewann allmählich den Eindruck,
dass Frau Eisele eine ganze Litanei an Pfaffenbichler-Hassern aufzählen würde.
»Na, die Annerose, die alte Vettel,
auseinandergegangen wie eine Kälberkuh und neidisch auf uns.« Frau Eisele
rotzte ihm das nur so hin.
Es war durchaus beachtlich, dass eine Dame, die man
guten Gewissens als vollschlank oder auch als Pfundsweib bezeichnen konnte,
sich über die figürliche Expansion einer anderen Dame mokierte, fand Gerhard.
»Und wer genau ist diese Annerose?«
»Sie hat eine Katzenauffangstation, ein totaler
Saustall, das Ganze. Sie hasst uns, weil wir eben viel mehr Aufmerksamkeit
bekommen. Einige Gönner, die sonst wahrscheinlich bei ihr gespendet hätten,
haben das Geld nur dem ›Gut Sternthaler‹ gegeben, das stinkt der alten Vettel.«
»Frau Eisele, wir reden hier von Tierfreunden. Die
knüpfen doch keine Hunde auf!« Gerhard kämpfte gegen seine zunehmende
Genervtheit an. Was war das hier denn für ein Irrenhaus?
»Sie kümmert sich um Katzen! Um Katzen, das hab ich
doch gesagt.«
Der Satz blieb in der Luft hängen, ganz allmählich
dämmerte Gerhard, dass Tierschutz wohl ein Haifischbecken sein musste, wo
unterbeschäftigte Menschen ihre Befindlichkeiten und Neurosen ausleben konnten.
Und mittendrin Frau Lepipfa! – war sie der Hai oder ein Beutefisch? Jägerin
oder Gejagte? Oder beides? In Gerhard stieg ein ungutes Gefühl auf: dass er
diesen Fall gar nicht mochte.
Frau Eisele stöhnte plötzlich auf. »Und Lea Pia in
Berlin! Sie weiß das alles noch gar nicht.« Sie stutzte und sah Gerhard fragend
an. »Oder weiß sie es?«
»Sie haben Frau Pfaffenbichler demnach nicht
angerufen?«, fragte Gerhard vorsichtig.
»Nein, ich war doch hier, und dann hätte ich das auch
gar nicht gekonnt. Was machen wir nur, wenn sie wieder da ist?« Das Schluchzen
begann von Neuem.
Das war interessant. Frau Eisele hatte nicht
angerufen, Eicher sicher auch nicht, höchstens Moritz hätte Frau Pfaffenbichler
informieren können. Theoretisch, bevor sie in Berlin ein Ende auf der Toilette
fand. Bloß – was hatte das eine mit dem anderen zu tun?
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