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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Spendengelder
entgangen sind und sie deshalb in finanziellen Schwierigkeiten ist«, sagte
Gerhard.
    Moritz schwieg eine Weile. »Vorher frisst die
Pfingster selber nix, vorher geht die betteln auf den umliegenden Höfen. Vorher
schlacht’ die ihre Sauen und verfüttert die den Katzen. Und bevor die einem
Tier was zuleide tut, hängt die Frau Pfaffenbichler auf oder schießt sie über
den Haufen.« Es war erneut still. Moritz schien zu realisieren, was er da
gesagt hatte, und beeilte sich, richtigzustellen: »Ich meine, nicht dass die
Pfingster einem Menschen was täte, nur, bevor sie einem Tier was täte, käme der
Mensch dran.«
    Gerhard verstand durchaus, was Moritz ihm hatte sagen
wollen, aber er wusste auch, dass Menschen über ihr persönliches Limit
gerieten, dass sie um sich schlugen, dass jede Ratio in Wut und Verzweiflung
verschüttging. Er musste das wissen, er erlebte das nämlich in seinem Job immer
wieder. Menschen hatten schon wegen weniger gemordet als wegen entgangener
Gelder oder auch nur einer persönlichen Niederlage. Wegen weit weniger, und
diese Tierschützer schienen ein ganz eigenes Volk zu sein.
    Wieder gab es eine Schweigepause, und als sickerte all
das Gehörte langsam durch, fragte Moritz dann zögernd: »Ja, aber was mach ich
denn jetzt? Verlier ich meinen Job?«
    Das war der Tag, an dem alle ihn wohl für den
allwissenden Messias hielten, aus seinem Mund auf eine Heilsbotschaft warteten.
»Moritz, das wird sich weisen. Bleiben Sie mal bei den Hunden, ich halt Sie auf
dem Laufenden.« Gerhard war schon kurz davor, aufzulegen, als er sich sagen
hörte: »Grüßen Sie mir den Wolfhound.«
    »Sir Sebastian?« Moritz’ englische Aussprache hätte
jedem Oxford-Professor zur Ehre gereicht. »Ein ganz netter Kerl, meint nur
leider, er sei ein Schoßhund. Bei seiner Größe ist das immer etwas schwierig.
Brauchen Sie keinen Hund?«
    »Ich? Bei meinem Job? Nein. Also tschüss, Moritz.«
Warum hörte sich das nicht überzeugend an, und seit wann sagte er »tschüss«?
Auf jeden Fall würde er diesem Herrn Herz einen Besuch abstatten.

SIEBEN
    Als er in Steingaden einfuhr, blieb sein Blick rechts
hängen. Gasthof Graf, wie lange hatte er eigentlich nichts Vernünftiges mehr
gegessen? Also, ein vollständiges Gericht, nicht unsere tägliche Leberkassemmel
gib uns heute und auch nicht die abendliche Auftaupizza, die er wegen akutem
Unterzucker entweder zu früh und widerlich labbrig aus dem Rohr riss oder aber
so lange drinließ, bis sie als braun-schwarzes Frisbee mit zur Unkenntlichkeit
verbrannter Auflage verbrutzelt war.
    Der Gasthof war heimelig, kitschfrei und doch
gemütlich. Als er ein Weißbier und einen Schweinsbraten geordert hatte, fühlte
er sich auf einmal fast ekstatisch. Allein der Akt des Bestellens hatte etwas
Euphorisierendes gehabt. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen hatte er gar
kein Problem damit, allein zu essen. Im Gegenteil, ihn beruhigte das, essen war
meditativ, ließ Raum für Gedanken. Essen machte zudem satt, und dazu brauchte
er kein Gegenüber, schon gar kein weibliches, das immer reden wollte.
    Weiblich – eigentlich rechnete er stündlich mit Jos
Anruf. Sie würde übersprudeln vor Fragen, wie ein Gewitter würde sie über ihn
kommen. Es galt, diese Ruhe vor dem Sturm zu genießen.
    Als er schließlich gezahlt hatte und wieder nach
draußen trat, hatte es zu schneien begonnen. In der kurzen Zeit waren dicke
Flocken niedergerieselt, Schnee, der sogar liegen blieb. Irgendwie war das hier
ein arktisches Eck, Todeszone oder so, er war sich sicher, dass es in Weilheim
regnen würde oder nebeln.
    Kaum war er am Schild mit den vielen Namen abgebogen,
schneite es stärker, dicke Wattebauschflocken sanken leise zu Boden. Die
Zufahrt zum »Gut Sternthaler« war von einem Polizeiauto mit Blaulicht
blockiert. Zwei Übertragungswagen von Sat1 und RTL hingen halbschräg an der Böschung. Eine Fernsehmaus mit großstädtischem
Schuhwerk und einem wattierten Jäckchen, das durchaus warm aussah, leider aber
nur bis kurz über den Rippenbogen reichte, fuchtelte mit ihrem Handy in der
Luft rum. Das war die verzweifelte Suche des fünf Balken gewohnten urbanen
Bürgers, der es sich einfach nicht vorstellen konnte, dass es den netzlosen
Raum gab. Nur achtzig Kilometer südwestlich von München!
    Gerhard konnte im Hof zwei Fahrzeuge der
Spurensicherung ausmachen, na dann kam ja Bewegung in das Ganze. Zudem rechnete
er damit, dass Reiber Ergebnisse aus Berlin durchgeben würde, und

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