Hundsleben
nichts dergleichen
sagen, aber Frau Eisele geriet in Rage.
»Natürlich gibt es hier genug Tierelend, aber in
bayerischen Städten und Gemeinden gibt es keine von den Behörden bezahlten
Tierfänger, die Hunde und Katzen einfangen, kurz in Auffangstationen bringen
und dann vergasen, ertränken, erschießen, erhängen, verhungern lassen oder
vergiften so wie im Süden und in Osteuropa! Wenn man Tiere liebt, kann man
nicht wegsehen, denn Tierschutz hat nun mal keine Nationalität!«
»Frau Eisele, das glaube ich Ihnen, ich …«
Sie unterbrach ihn. »Wir sind doch nicht dämlich.
Blinder Aktionismus nutzt gar nichts, und Spontanmitnahmen gehen sowieso nur
bedingt aus EU -Ländern. Für die
Ausreise aus der Türkei zum Beispiel muss erst mal ein Tollwut-Titer bestimmt
werden, eine aufwendige und zeitintensive Prozedur, die über Labors in
Deutschland läuft. Tierschutz ist immer auch ein Anrennen gegen Bürokratie. So
einfach ist das gar nicht, ein Auslandstier mitzunehmen – es sei denn, man
schmuggelt es. Wenn ich das schon höre, man soll die Viecher einfach da lassen,
wo sie herkommen.«
Gerhard war wirklich erstaunt. Die farblose Frau
Eisele kam ihm nun vor wie eine Wanderpredigerin. Ihr Text saß, sie konnte ihn
wohl jederzeit abrufen. Sie wirkte auf ihn wie jemand, der in die Fänge einer
Sekte geraten war und sich nun von Ebene zu Ebene hochdiente.
»Und was glauben Sie, was wir bei den Tschuschen oder
den Polacken erleben? Auf Teufel komm raus wird vermehrt, was gerade ein
Modehund ist. Hündinnen werden unter erbärmlichen Bedingungen zu Wurfmaschinen
degradiert. Die Preise sind natürlich um die Hälfte billiger als bei einem
seriösen deutschen Züchter. Wir haben erst kürzlich eine Labradormama und
Welpen freigekauft, das ist bei diesem Ostgesocks ja völlig legal.«
Ja, die gute Frau Eisele hatte wohl auch ihre dunkle
Seite, dachte Gerhard. Auf einmal war sie nicht mehr das Mondgesicht von
nebenan. Die Polacken – es fehlte noch ein Stück zur großen Familie der
glücklichen Europäer. Ein großes Stück, dachte Gerhard.
»Frau Eisele, es liegt mir fern, Ihre Philosophie zu
kritisieren.« Er log schon wieder, es hätte ihm so einiges auf der Zunge
gelegen. »Ich möchte mir ein Bild machen. Wie finanziert sich das Ganze denn?«
»Wir haben zweihundert Mitglieder, die
Mitgliedsbeiträge zahlen, und dann eben unsere lieben Gönner, oftmals auch aus
der Filmbranche.«
»Aha?«
»Ja, die Britt Göttlöber zum Beispiel, so eine feine
Frau und so eine gute Schauspielerin. Haben Sie sie in ›Herzen in Flammen‹
gesehen?« Die Tränen waren versiegt.
»Bedaure«, meinte Gerhard, der maximal wusste, wer
Sophia Loren war, Ornella Muti, und der eventuell noch Michelle Pfeiffer
erkannte. Weil die wirklich klasse aussah und weil er einst zusammen mit Jo
»Die fabelhaften Baker Boys« angesehen hatte und ein gewaltiger Streit
entbrannt war. Weil er sich angeblich an der Pfeiffer aufgegeilt hätte. Als
hätte sie diesen Bridges nicht auch angeschmachtet. Aber bei Jo eskalierte ja
alles gleich in eine Grundsatzdiskussion à la: Wenn die dir gefällt, was willst
du dann mit mir?
Er konzentrierte sich wieder auf Frau Eisele, die nun
fortfuhr. »Und seit wir von den Niederlanden getrennt sind, arbeiten wir
eigentlich erfolgreicher.«
Gerhard runzelte die Stirn. »Wie, getrennt? Von wem?«
»Lea Pia hat früher ihr großartiges Engagement für
›Sternenhunde‹ mit Sitz in den Niederlanden vollbracht. Und nun sind wir der
›Sternthaler e. V.‹.«
Das klang einstudiert, »vollbracht« war irgendwie
nicht der Wortschatz von Frau Eisele. »Also das heißt, ›Gut Sternthaler‹ und
der ›Sternthaler e. V.‹ sind eine Abspaltung von ›Sternenhunde‹?«, fragte
Gerhard.
»Ja, in etwa. Sehen Sie, Lea Pia konnte sich mit den
Idealen und Zielen der niederländischen Sektion nicht mehr anfreunden und hat
dann kurzerhand selbst eine Organisation gegründet. Aber wir arbeiten bei
internationalen Projekten immer noch mit ›Sternenhunde‹ zusammen wegen der
Synergie-Effekte.«
Gerhard schluckte jetzt mal jeden Kommentar zu
Vereinsmeierei, Profilneurosen und anderem, was ihm auf der Zunge lag,
hinunter. Ja, diese Frau Eisele klang immer noch wie eine Werbebotschafterin,
wie ein amerikanischer Prediger. »Aber irritierte das nicht die Spender, die
Sponsoren?«
»Doch, aber Lea Pia hat so gute Freunde«, sie strahlte
ihn an, »sie konnte einige der Mitglieder von ›Sternenhunde‹ für ihre
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