Hundsleben
besser war? Wenn
der Kollege nicht so spontan und intelligent reagiert hätte, hätte das ganz
schön in die Hose gehen können.« Gerhard war immer noch sauer.
»Ich habe Sie beide beobachtet, Sie sind Profis. Ich
wusste, dass Sie das im Kreuz haben. Ich wollte Sie nicht in Gefahr bringen.
Hat Constantin Ihnen Ihre Geschichte denn abgenommen? Was haben Sie denn
erzählt? Die Lehrer-Chose?«
»Ach, das wissen Sie auch schon?« Gerhard hatte den
Eindruck, dass er hier an den Fäden eines Puppenspielers zappelte. Und das
gefiel ihm gar nicht.
»Mihnea hat mich ins Bild gesetzt. Sie sind
anscheinend ein guter Schauspieler, Herr Reiber. Haben Constantin und Gheorghe
es geglaubt?«
»Auch Constantin Nagy kann ein guter Schauspieler
sein. Auf den ersten Blick würde ich sagen: Ja, er hat es geglaubt. Oder, Herr
Wein… oder Gerhard?« Reiber lächelte.
»Auf den ersten ja. Aber es gibt ja bekanntlich zweite
und dritte Blicke.« Gerhard war immer noch verschnupft.
Răzvan lehnte sich zurück, gab der Kellnerin die
Chance, eine Bestellung aufzunehmen, und fuhr dann fort: »Ich muss mich
entschuldigen für die Kalamitäten, aber ich glaube, es war der bessere Weg so.
Im ›Caru‹ wurden wir von einem gewissen Mihail bespitzelt, Kellner im ›Caru‹.
Nicht der, der an unserem Tisch bedient hatte, übrigens. Er beäugt genau, mit
wem ich unterwegs bin, ich muss immer einen Zug voraus sein. Sehen Sie, die
letzten Drogenschiebereien haben das Leben zweier Kollegen gekostet, wir waren
so nah dran, aber irgendwer hat uns verpfiffen. Wenn ich Constantin Nagy nun
wegen eines Mordes in Berlin drankriegen könnte, wäre das der schönste Tag seit
Langem. Seit ich offiziell nicht mehr ermitteln darf, werden die Herren wieder
etwas unvorsichtiger, aber sie beobachten mich immer noch.«
»Und das wissen Sie?«, fragte Reiber ein wenig
ungläubig.
»Ja, hier ist die einzige Chance, zu überleben, dem
Gegner immer einen kleinen Schritt voraus zu sein«, sagte Răzvan. »Willkommen
in Rumänien!«
Das klang wie in einer Ludlum- oder Clancy-Verfilmung,
fand Gerhard. Jeder bespitzelte jeden, es ging um Wissen und Halbwissen, um
Ahnungen und Vorahnungen. Es gab anscheinend weit mehr Ebenen als die
offensichtliche. Nein, das gefiel ihm alles gar nicht, weil er spürte, dass ihn
die Situation überforderte. Er war Bulle aus dem Oberland, wo die Motive meist
in Familientragödien begründet lagen. Er merkte, wie weit er weg war vom
organisierten Verbrechen, wo die Opfer teils gar nichts direkt mit den Mördern
zu tun hatten. Wo es Auftragskiller gab, Händler und Zwischenhändler. Diese
Strukturen waren organisiert wie eine Firma, in der der Angestellte den Chef
nur vom Hörensagen oder aus der Zeitung kannte. Das war nicht seine Welt, und
auf einmal mischte sich noch ein Gefühl darunter: Angst. Die Angst kroch in ihn
hinein wie zäher Nebel, die Angst, die er erst kannte, seit er bei seinem
letzten Fall in Todesgefahr geraten war. Fast elend verreckt war in seinem
kalten Gefängnis aus Gips. Er sah Reiber an, der hatte wieder dieses Leuchten
in den Augen. Ja, Volker Reiber war ein Großstadtbulle. Er selbst war ein
Landei-Ermittler.
»Nehmen wir mal an, sie haben uns geglaubt«, sagte
Reiber nun, »wie soll das weitergehen?«
»Sie bleiben die beiden netten Lehrer aus Deutschland.
Um ganz sicherzugehen: Sie verhalten sich wie Touristen. Gehen eine Runde Ski
fahren und besuchen dann das ›Sura Dacilor‹, eine Touristenkneipe mit Fellen
und Fleischbergen am Spieß. Sehr beliebt. Und direkt nebenan ist die
Tierrettungsstation von Ionela Raţ. Reden Sie mit ihr. Zeigen Sie ihr das Foto der
toten Deutschen. Ich glaube, sie redet.«
»Ski fahren?« Reiber sah Răzvan entsetzt an. »Ich bin
zum letzten Mal vor etwa zwanzig Jahren Ski gefahren und damals nicht gut.«
»Oh, das macht nichts, hier gibt es viele Leute, die
nur so rumrutschen. Solche oder die, die den Sport wirklich exzellent
beherrschen. So wie Sie, Herr Weinzirl? Sie sind Allgäuer, saugt man da den
Skisport nicht mit der Muttermilch in sich auf?« Er lächelte freundlich, das
war wahrscheinlich ein Friedensangebot.
»Womöglich.« Gerhard fühlte sich nach wie vor ungut.
»Und wo treffen wir Sie?«
»Wir bleiben über Handy in Kontakt.«
Man verabschiedete sich. Eine waldreiche Landschaft
flog vorbei, Felsen, die viel schroffer waren, als Gerhard es diesen Karpaten
zugetraut hätte. Sie erreichten Poiana Braşov, Rumäniens größtes Skigebiet.
Mihnea lotste sie am
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