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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Parkplatz zu einem kleinen windschiefen Hüttchen. Drinnen
drängte sich eine Bank an die Wand, ein Mann mit ebenso windschiefen Zähnen und
Brennglasbrille quetschte sich hinter einen Tresen, und an die andere Wand
waren Ski gelehnt. Gerhard stand kurz vor einem Lachkrampf. Ski? Das waren
Antiquitäten. Der Kästle, wer hätte den nicht mal gehabt, ein Top-Ski, so wie
der Renntiger – nur eben war das in den Achtzigern gewesen. Passend dazu gab es
völlig verorgelte Heckeinsteiger, es war wie eine Zeitreise zurück in die
Skivergangenheit. Sie fielen in ihren Jeans gar nicht auf, viele Leute hier
trugen Jeans statt Skihosen.
    Sie schulterten das Material und marschierten ins
Zentrum des Geschehens. Kinder rodelten, Skidoos röhrten, Quads gab es auch,
und die Grillbuden kamen kaum mehr hinterher, die fettigen Würstel zu braten.
An der Gondel war schon eine endlose Schlange entstanden, die sich die Treppe
hinauf staute. Bilder, die man aus den Alpen nicht mehr kannte. Als sie endlich
vor der Gondel waren, wurden ihre Punktekarten sorgfältig abgeknipst, auch das
eine Reminiszenz an das Skifahren in Gerhards Jugend. Sie landeten immerhin auf
fast eintausendsiebenhundert Metern, die Optik war gar nicht so sehr
mittelgebirgshaft, und die Piste am Gipfelhang durchaus nicht von schlechten
Eltern.
    Was auch Reiber zu bemerken schien. Seine sonstige
Selbstsicherheit war wie weggeblasen, verblasen vom Wind, der hier oben recht
zackig pfiff. Es war Mihnea, der sich in Ausübung seiner Fremdenführerpflicht
mutig in den Hang warf, Reiber hinterher, und so schlecht sah das gar nicht
aus. Allein das untaillierte Brett war schier manövrierunfähig, die Piste auch
nicht wirklich präpariert.
    Gerhard musste grinsen und besann sich auf den guten
alten Umsteiger und das Springen mit zwei Stöcken. Die Piste mit dem schönen
Namen Lupului hatte immerhin fast drei Kilometer, aber sie schlugen sich
sturzfrei und wacker. Im Tal gelandet, stellten sie fest, dass die alte Gondel
nur eine Seite der Skimedaille Poiana war, denn am Berg gab es auch eine moderne
kuppelbare Bahn und einen superschicken Intersport-Skiverleih mit dem neusten
Material. Sie schaukelten nochmals hinauf, Reiber flehte um eine blaue Piste
und wurde erhört. Auf einem Ziehweg, der Familienabfahrt Drumul Roşu, ging es
talwärts, alles in allem ein wirklich erheiternder Skiausflug, wenn sie nicht
alle so unter Anspannung gestanden hätten.
    Sie befanden, dass ein spätes Mittagessen durchaus
angesagt war, und rutschten auf Ski zum »Sura Dacilor«. Sie traten in ein
schummriges Dunkel ein. Eine russische Großfamilie hatte noch einen Tisch
okkupiert, der Lärmpegel war gewaltig. Ansonsten war das Lokal leer, ein
Kellner, der professionell-freundlich-gelangweilt war, führte sie in den
dritten Raum unter den schweren Holzbalken. Man saß auf Fellen, das Kaminfeuer
prasselte, aber Gerhard fühlte sich nach wie vor nicht richtig wohl. Eine
gewaltige Fleischplatte wurde aufgetragen, und die versöhnte ihn dann doch mit
dem Tag und dem gestrigen Abend. Sie bezahlten, für Rumänien durchaus ein
sattes Sümmchen.
    Mihnea erzählte gerade, dass es in seiner Schulzeit –
und das konnte ja gar nicht so lange her sein – hier einen Zoo gegeben hatte,
aus dem ein kleiner Bär entlaufen war. Im nächsten Frühjahr saß Bärchen dann
mitten auf der Piste und ließ sich von den Skifahrern füttern.
    »Im rumänischen Karpatenbogen sind rund fünftausend
Bären unterwegs, ich habe vernommen, dass auch Sie in Deutschland einen Bären
hatten«, sagte Mihnea, nun wieder ganz der rührige Fremdenführer.
    »Hatten, die Betonung liegt auf hatten , wir sind
nicht mehr wildtierkompatibel in Deutschland«, brummte Gerhard und dachte bei
sich: Aber wir importieren dreibeinige Hunde aus Rumänien. Irgendwie hatte das
Essen ihn wohl doch nur bedingt milde gestimmt.
    Mihnea erläuterte, dass Ionelas Hundehaus vom ehemaligen
Zoo einige Zwinger und Material erhalten habe und sie bewusst diese Lage in
Braşov gewählt hatte, »weil Touristen ja immer mehr Herz haben«.

SIEBZEHN
    Sie umrundeten das »Sura Dacilor«, leicht versetzt
dazu stand ein kleiner Neubau, an den sich eine Reihe von Zwingern anschloss.
Nicht so luxuriös wie im »Gut Sternthaler«, die Gitter waren verrostet, aber
die Hunde hatten zumindest je eine Hütte, und diese Hüttchen waren üppig mit
Stroh eingestreut. Als sie näher kamen, schossen sogleich drei undefinierbare
mittelhohe Zamperl an den Zaun. Einer hatte nur ein

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