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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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noch immer den Hund,
der an dem Knochen kaute. An einem Kleiderhaken hing eine Leine, und es war
wieder mehr ein Impuls, diese zu nehmen und ganz langsam auf das Tier
zuzugehen.
    »Sitz!« Gerhard dachte noch, dass das Tier eher
Rumänisch verstehen würde, aber es machte wirklich Sitz. Gerhard hakte die
Leine ein, und als wären sie ein eingespieltes Team, folgte ihm der Hund in den
Gang. Gerhard stieß wahllos eine Tür auf, es war die Küche. Er hieß den Hund
nochmals Sitz zu machen, löste die Leine und zog ganz schnell die Tür zu.
    »Reiber! Das Vieh ist kaserniert. Wir können versuchen,
    Frau Raţ aus den Scherben zu befreien.« Gerhard eilte
retour in die Praxis, im Türrahmen hielt er kurz inne.
    In dem Moment flog eine Tür auf, die wohl zu einer
kleinen Kammer am Ende der Praxis führte, ein Mann mit Maske stürmte vorbei, er
hieb mit irgendwas auf den am Boden knienden Reiber ein, der zur Seite fiel.
Der Angriff kam völlig überraschend, Gerhard wurde einfach überrannt, er spürte
einen schmerzhaften Hieb, taumelte und rannte dann los. Oder versuchte zu
rennen, er trug ja immer noch die Skischuhe. Dank sei den Heckeinsteigern, sie
waren zwar völlig ungeeignet für einen modernen Carvingstil, aber als
Laufschuhe nicht unbequem. Der Mann hatte auch Mihnea zur Seite geschubst und
rannte in Richtung »Sura Dacilor«. Auf einmal realisierte Gerhard, dass auch
der Maskierte Skischuhe trug. Er griff sich Ski aus dem Skiständer und
sprintete weiter. Gerhard packte seinen Uralt-Kästle – und hinterher. Für den
Bruchteil einer Sekunde überlegte er noch, was passieren würde, wenn der
Maskierte sich umwenden und schießen würde.
    Der Mann rannte in Richtung Liftanlagen bergauf. Es
war gut, ein passionierter Skitourengeher zu sein, Gerhard hatte eine gewisse
Grundkondition, der Abstand verringerte sich. Der Mann erwischte eine der
Umlaufgondeln, Gerhard die nächste. Der Typ war oben in seine Ski gesprungen,
Gerhard tat es ihm gleich. Der Mann stürzte sich regelrecht in die
Lupului-Piste, im Schuss ging es dahin. Wenn er kein ehemaliger Abfahrtsläufer
war, dann würde er abschwingen müssen, der Hang war steil, verdammt steil! Es
war ein Kinderskikurs, der den Flüchtenden zu einem scharfen Richtungswechsel
zwang, Gerhard gewann dadurch etwas an Raum.
    Plötzlich schwang der Mann scharf ab und schoss in
einem Ziehweg in den Wald hinein. Verdammt, fast hätte es Gerhard zerlegt, er
ruderte in Rückenlage, das war eben kein Carver, den man auf die Kante stellen
konnte. Wie ein gehetzter Hase änderte der Mann nun wieder die Richtung, hinein
in die Bäume. Tree-Skiing, im Prinzip ein Traum, eine Challenge für einen guten
Skiläufer, allerdings weniger, wenn man das Terrain nicht kannte. Der Mann fuhr
wie ein Irrer und verdammt präzise. So fuhr nur jemand, der diesen Sport besser
beherrschte als zu Fuß gehen. Scheiße, fast hätte Gerhard einen Baum touchiert,
das waren einfach verdammt enge Torstangen. Trotzdem holte Gerhard auf, denn
auch wenn Jo ihm immer seinen Holareidulijö-Stil vorgeworfen hatte, er war
einer von der alten Schule. Bruchharsch und Bäume – das war seine Domäne.
    Ein neuer Ziehweg kreuzte ihre Direttissima, Gerhard
wurde ausgehoben, erneut gelang es ihm, artistisch aus der Rücklage wieder in
Vorlage zu kommen. Der Gehetzte hatte ebenfalls Probleme, er verkantete kurz,
musste stark abbremsen. Gerhard schaffte es, neben ihn zu kommen, fast
gleichauf, nur durch Bäume getrennt. Sie fuhren wie in einem irrwitzigen
Parallelslalom!
    Aber was sollte Gerhard tun? Eine Schlägerei
aushalten, womöglich doch einer Waffe ausgeliefert sein? Er war so wütend
gewesen, völlig impulsgesteuert. Jedem Mitarbeiter würde er böse Vorhaltungen
machen wegen so eines sinnlosen Alleingangs. Sein ehemaliger Chef Baier würde
sagen: »Sie Erzdepp, Sie sturer.« Und recht haben!
    Gerhard hatte auf seiner Seite mehr Glück, die Bäume
hatten ein paar größere Lücken gelassen, er überrundete seinen Kontrahenten und
zog nun nach rechts. Er war ganz dicht dran, der andere warf ihm einen Blick
über die Schulter zu, ein Blick aus der Skimütze mit den Löchern. Es waren
seine Augen, Gerhard war sich völlig sicher. Und seine Statur, athletisch und
nur ein bisschen vernachlässigt.
    In der Sekunde bremste der andere ab, machte eine
Spitzkehre in Hochgeschwindigkeit, schoss in einen dieser elenden kleinen
Querwege, die diesen ganzen Berg zu durchziehen schienen. Und war weg!
Verdammt! Gerhard wusste, wer es

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