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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Auge, ein anderer trug
einen Verband um die Pfote. Aus drei anderen Hüttchen schoben sich nur sehr
vorsichtig spitze Schnauzen; diese Kameraden hatten wohl lernen müssen, dass
die Kontaktaufnahme mit Menschen meist Schmerz bedeutete. Plötzlich hatte
Gerhard das Bild der Galgenhunde wieder vor Augen, und das üppige Mahl machte
ihm auf einmal schwer im Magen zu schaffen. Es rumorte und drängte nach oben.
    »Ionela Raţ wird im
Haus sein«, mutmaßte Mihnea. »Sie hat dort auch noch Hunde, die kleineren.«
    Sie klopften, nichts tat sich. Es gab keine Klingel,
also pumperten sie erneut. Von drinnen bellte es mehrstimmig aus Leibeskräften.
Schließlich drückte Reiber die Klinke hinunter, die Tür war offen. Er streckte
den Kopf ein Stück weit hinein. »Frau Raţ, sind Sie da?«
    Die Antwort blieb aus, Reiber öffnete die Tür weiter.
Ein kleiner drahthaariger Hund mit Dackelbeinen und viel zu großem Kopf für die
restliche Statur kläffte wie wild.
    »Na, du bist ja eine scheußliche Töle, du, du, du. Ja,
so ein hässliches Viechlein hab ich ja noch nie gesehen, gell, du Hundi?«
Reiber säuselte wie ein Frühlingswind, seine Stimme war einschmeichelnd, und
Gerhard gluckste in sich hinein. Die vielen Facetten des Volker Reiber, heute
mal als Hundedompteur. Das Tier war anscheinend wirklich beeindruckt, mehr
noch, als Reiber ihm einige Knochen hinwarf, die er wohl im »Sura Dacilor«
eingesteckt hatte. Sogleich kamen noch zwei Minihunde, auch nicht gerade mit
tierischer Schönheit gesegnet.
    Sie traten in den Gang, riefen erneut. Mihnea rief
irgendwas auf Rumänisch. Es kam eine Antwort, es war ein Laut, den Gerhard
kannte. Wie auf dem Gut an jenem nebligen Tag, als er diese Galgenhunde gesehen
hatte. Es war ein schauerliches Hundeheulen, das vom Ende des Ganges kam.
    Gerhard warf Reiber einen schnellen Blick zu, sie
hätten vielleicht doch offiziell reisen und eine Waffe mitnehmen sollen. Dieses
ganze Touristengetue war doch von Anfang an ein totaler Blödsinn gewesen.
Gerhard machte Mihnea ein Zeichen, im Gang zu bleiben. Er und Reiber gingen langsam vorwärts.
    »Frau Raţ?«
    Die Tür am Ende des Gangs war offen, der Raum war ein
    Praxisraum, sie hatten ja von Răzvan erfahren, dass Ionela Raţ früher Tierärztin gewesen war. Früher! Ionela
    Raţ war gegen eine Glasvitrine gefallen, Scherben
waren zu Boden gerieselt, sie blutete an mehreren Stellen, am meisten aber aus
einer Kopfwunde. Vor ihr hatte sich etwas Bullterrierartiges aufgebaut, die
Lefzen hochgezogen. Seine Pfoten bluteten, er blutete auch aus dem Maul. Er
bewachte in den Scherben sein totes Frauchen. Falls sie tot war. Gerhard lief
blitzschnell zurück in den Gang, entriss einem der Hunde einen Knochen, zischte
Mihnea zu, er solle Răzvan anrufen und eine Polizeieinheit sowie den Notarzt.
Gab es so was in Rumänien? Hoffentlich!
    Der Hund hielt Reiber in Schach, dieser Hund war
sauer, das war kein Angstbeißer, bei dem man deeskalieren konnte, der war
scharf.
    Gerhard fixierte das Tier, sein Blick heftete sich auf
dessen Augen. Es war auf einmal, als wäre da ein Band zwischen ihnen. Gerhard
wusste, dass er gewinnen musste, nein, er würde gewinnen. Es war mehr eine
Ahnung als Erfahrung mit Hunden, die ihm sagte, dass da mit guten Worten nichts
zu machen war. Er ging einen Schritt zur Seite, den Blick auf das Tier
gerichtet, nahm den Knochen, ließ ihn zu Boden fallen.
    »Wir können ihr nur helfen, wenn du kooperierst. Ich
habe einem Kumpel von dir was versprochen, mach du das jetzt nicht zunichte.«
Er sprach sehr leise, kaum hörbar, nur sein Blick blieb eisenhart. Der Hund
entspannte sich. Die aufgestellten Nackenhaare glätteten sich.
    »Gut, und jetzt friss was. Essen beruhigt.« Gerhard
deutete auf den Knochen, es war eine unsichtbare Leine, die das Tier leitete.
Es kam auf Gerhard zu, knurrte nur noch leise und nahm sich dann den Knochen
vor.
    Den Hund im Auge behaltend, ging Reiber zu der Frau.
»Sie hat noch Puls, schwachen Puls.«
    Gerhard rief in Richtung Gang: »Mihnea, was ist mit Răzvan?
Dem Notarzt, der Verstärkung?«
    »Kommt! Was ist Ihnen dort drinnen widerfahren?«
    »Frau Raţ ist
schwer verletzt, und ein Zerberus bedroht uns. Mihnea, gehen Sie langsam und
möglichst geräuschlos raus und weisen Sie Răzvan und den Arzt ein!«
    Reiber hatte der Frau vorsichtig eine Jacke unter den
Kopf gelegt und war dabei, eine schwere Blutung am Bein mit einem Druckverband
zu stillen. Ein »Scheiße!« entglitt ihm. Gerhard fixierte

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