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Hundsleben

Hundsleben

Titel: Hundsleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Förg
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Hofstaat um sich versammelt: einige Männer mittleren Alters und sehr junge, sehr dünne, für die Jahreszeit
sehr spärlich bekleidete Mädchen. Es war Gerhard den ganzen Tag über schon aufgefallen.
Es gab hier extrem viele schöne Frauen. Die Kellner benahmen sich wie
Leibeigene, es fehlte nur noch, dass sie einen Diener machten und rückwärts
katzbuckelnd den Tisch verließen. Immer wieder kamen Leute an den Tisch, die
Gheorghe Mutu huldvoll begrüßte, der manchmal auch ein donnerndes Lachen
vernehmen ließ. Einer der singenden großbusigen Dragoner war an den Tisch von
Gheorghe Mutu getreten und sang ihm ein Ständchen. Er stopfte ihr Geldscheine
ins Dekolleté, und da war ja wahrhaft Platz genug!
    Ein Mann kam just in dem Moment herein, unverkennbar
Constantin Nagy. Er hatte auf dem Foto schwammiger gewirkt, als er in
Wirklichkeit war, er war eher muskulös. Er wirkte, als hätte er mal
Hochleistungssport betrieben und wäre dann in die Breite gegangen. Er war nicht
übermäßig groß, sehr teuer gekleidet, seine dunklen Augen glitten durch den
Raum. Er scannte ihn regelrecht ab, binnen Sekunden schien er alles registriert
zu haben. Sein Blick blieb ganz kurz an Gerhards Tisch hängen. Ihre Blicke
kreuzten sich. Constantin Nagy runzelte die Stirn, so als täte er sich schwer,
die Gesellschaft einzuordnen. Und Gerhard wusste, dass er auf der Hut sein
musste. Vor diesem Mann weit mehr als vor Gheorghe.
    Der Karpatenbär mundete vorzüglich, sie wollten gerade
bezahlen, als eine Runde Schnaps an ihren Tisch gebracht wurde. Mihnea sah sich
irritiert um, als Constantin Nagy aufstand und an ihren Tisch trat.
    »Sie sind aus Deutschland, habe ich gehört? Geschäfte?
Ich bin Journalist, ich schreibe eine Serie über ausländische Investitionen in
Rumänien.« Seine Stimme war angenehm, sein Deutsch so perfekt wie das der
anderen, die sie hier kennengelernt hatten.
    Reiber reagierte blitzschnell. »Oh, da sind wir
schlechte Kandidaten. Ich bedaure. Mein Kumpel und ich haben zusammen studiert
und treffen uns einmal im Jahr in einer europäischen Hauptstadt, in einem Land
der Europäischen Union. Die neuen Länder interessieren uns besonders. Das ist
zur Tradition geworden. Mit Investitionen haben wir gar nichts am Hut. Außer
der Investition in Museumsbilletts und Restaurantbesuche.« Reiber gelang es,
ein wenig dümmlich zu lachen und etwas unsicher zu wirken. Gerhard zog
innerlich den Hut. Chapeau!
    Constantin hatte sich gesetzt und mit einer fast
unmerklichen Handbewegung nochmals Schnaps geordert. »Was haben Sie denn
studiert?«
    »Lehramt«, sagte Reiber, und in dem Moment verfluchte
ihn Gerhard. Wie sollte er einen Lehrer mimen?
    »Ach was! Welche Fächer denn?« Constantin setzte ein
Lächeln auf, das nur um seinen Mund spielte. Seine Augen waren hellwach und
skeptisch.
    »Deutsch und Latein«, sagte Reiber. »Der Kollege
Sport.«
    »Nur Sport, ist es in Deutschland nicht so, dass man
stets zwei Fächer braucht?« Er gab sich interessiert und sah Gerhard
siegesgewiss an.
    »Durchaus! Ich bin aber Diplomsportlehrer, habe erst
später aufs Lehramt umgesattelt. Es werden ja Lehrer händeringend gesucht. Ich
arbeite Teilzeit an einer Privatschule.« Gerhard ging das ganz locker über die
Lippen. Er erzählte gerade die Karriere seines Schulfreunds Ralf, schon komisch,
was einem so aufs Stichwort einfiel.
    Constantin nickte und wandte sich an Reiber. »Lehrer,
ja, ja. Bene docet, qui bene distinguit. «
    »Ich bemühe mich oder: Dum spiro spero «, sagte
der.
    Gerhard musste sich immens zusammenreißen. Reiber
konnte Latein, zumindest nahm er mal an, dass das ein akkurater Satz in der
Sprache Vergils und Ciceros gewesen war.
    Constantin Nagy prostete ihnen zu. »Na, dann
willkommen in unserer schönen Stadt. Was haben Sie denn schon gesehen?«
    »Nur einen Schnelldurchlauf, wir haben einen ganz
wunderbaren Fremdenführer angeheuert«, Reiber nickte Mihnea zu, »wir wollen
morgen mit den Museen beginnen. Eine vielversprechende Stadt auf den ersten
Blick. Vielleicht fahren wir auch ins Umland, die Karpaten sollen ja sehr schön
sein, gerade im Winter.«
    Reiber war brillant, das stand absolut außer Frage.
Und kaltblütig.
    »Da habe ich einen Tipp für Sie. Das ›Caru’ cu bere‹,
oder waren Sie da schon?«
    Spätestens jetzt war Gerhards Ahnung zur Gewissheit
geworden. Das hier war alles kein Zufall. »Das ist ja lustig, dass Sie das
erwähnen. Wir waren heute Nachmittag dort. Wunderbare Räumlichkeiten«,

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