Hundsleben
ihm eine Rotwein-Flasche mit Draculas Konterfei vor die
Nase. Mihnea begann zu schimpfen, aber Gerhard beruhigte ihn.
»Ist gut, ich brauch eh ein Souvenir.« So bekam er
drei Flaschen zum Preis von zwei. Der Wein war blutrot, und Dracula hatte seine Augen, die Augen von Constantin Nagy!
Viel redeten sie nicht auf dem Weg nach Bukarest. Sie
tranken an einer Tankstelle Cola; als Gerhard zahlte, fühlte er einen kleinen
Zettel in seiner Tasche. Den würde er hüten, ein Lächeln spielte um seine
Lippen. Diesmal trafen sie Răzvan ganz offiziell. Wie er das mit seinem Chef
geregelt hatte, blieb wohl sein Geheimnis. Kaffee wurde gereicht, dann legte
Răzvan einige Blätter auf den Tisch. Sie waren auf Rumänisch.
»Wir haben ihn!« Der ganze Mann bebte geradezu vor
Euphorie. »Herr Weinzirl, Sie sind ein Genie!«
»Oh, das weiß der Kollege!« Reiber zwinkerte ihm zu.
»Am Gebiss des Hundes konnten wir DNA -Spuren von Constantin Nagy
nachweisen. Er hat Ionela Raţ attackiert.«
»Gratulation«, sagte Reiber. Er sah Răzvan forschend
an. »Aber die Sache hat einen Haken, oder?«
»Sind Sie Hellseher?«
»Nein, nur Realist.«
»Nun.« Răzvan verzog das Gesicht. »Die
Vergleichsprobe haben wir, sagen wir mal, auf Umwegen erhalten. Wir haben sie
schon länger. Constantin hat sie uns damals nicht freiwillig gegeben. Das macht
die Sache bei einer Verhaftung schwer.«
»Verdammt! Es wäre also gut, Ionela Raţ könnte aussagen? Wie geht es ihr eigentlich?«,
fragte Gerhard.
»Sie liegt nach wie vor in einem künstlichen Koma. Ich
lasse sie bewachen wie einen Schatz. Wie das Bernsteinzimmer, sollte es jemals
wieder auftauchen.«
»Und Constantin?«
»Den jage ich durch die halbe Welt, wenn es sein
muss!« Răzvan klang entschlossen.
Reiber lehnte sich zurück und lächelte. »Sie haben uns
ein turbulentes Programm geboten, Răzvan. Respekt! Darüber haben wir den Grund
unseres Kommens fast vergessen.«
»Ja, ich verstehe, was folgern wir für Ihren Fall
daraus? Das ist Ihre Frage, nicht wahr? Erlauben Sie mir den Versuch einer
Antwort. Sie kommen hierher auf der Suche nach dem Mörder oder den Mördern von
Frau Pfaffenbichler, von der wir annehmen, dass sie Drogen unterschlagen hat.
Sie machen sich auf zur einzigen Zeugin, die prompt aus dem Weg geräumt wird.
Von Constantin Nagy. Das wissen wir sicher. Wollen wir dann nicht auch davon
ausgehen, dass er Frau Pfaffenbichler in Berlin ermordet hat oder hat ermorden
lassen?«
Reiber sah Gerhard an und dann Răzvan. »Ich würde
davon ausgehen, mein Lieber. Der Kollege glaubt wahrscheinlich immer noch
lieber an seine Hauptverdächtige Sandra Angerer. Wir haben Ihnen den Fall ja
geschildert.«
Răzvan wandte sich an Gerhard. »Ich verstehe Ihre
Skepsis, das macht einen guten Kriminalisten aus. Immer auch rechts und links
des eingeschlagenen Wegs die Augen zu haben, auch mal zurückzusehen. Aber was
mir daran nicht gefällt: Wen hat Sandra Angerer angestiftet, diese Hunde
aufzuhängen? Und warum hat sie die Bilder genommen?«
Er brachte es auf den Punkt, genau das störte Gerhard
auch. Seine Theorie hätte gepasst, wenn die drei Dorfjungs sich über die Hunde
hergemacht hätten. Sie waren mit Sandra Angerer bekannt, und diese wäre in der
Lage gewesen, die drei so zu manipulieren, dass sie ihr aus der Hand gefressen
hätten. Fanatiker fanden immer willfährige Anhänger. Aber die Hundehenker
blieben Phantome, die Spuren des Pick-ups hatten nicht zu denen von Luggis
Vater gepasst. Die Schuhgrößen und Abdrücke der Burschen nicht zu denen an der
Mauer. Evi und Melanie hatten sich nicht mehr gemeldet. Das hieß, dass auch sie
nicht weitergekommen waren. Es wäre doch zu schön gewesen, wenn Herr Angerer
Dreck am Stecken gehabt hätte. Aber was nicht war, konnte ja noch werden. Doch
eins blieb irritierend: Sandra Angerer hätte kaum die Chuzpe gehabt, nach einem
Mord diese Bilder zu entwenden. Er traute ihr einiges zu, das nicht.
»Was grübelst du? Stimmst du uns etwa zu?«, fragte
Reiber.
Gerhard seufzte. »Nun, ich neige dazu, euch
zuzustimmen. Ihr meint also, Constantin Nagy hat drei Kriminelle angeheuert,
die diese Hunde auf dem Gewissen haben? Er hat sich diese grauenvollen Bilder
mailen lassen, hat sie ausgedruckt, Frau Pfaffenbichler vor die Nase gehalten,
sie damit so erschüttert, dass sie ihm die unterschlagenen Drogen gegeben hat.
Oder zumindest gesagt, wo sie sind. Er tötet sie, lacht sich ins Fäustchen,
entwendet noch schnell und am Rande drei
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