Hundsleben
Bilder. War er es wirklich selbst?
Haben solche Leute nicht Fußvolk, das die Drecksarbeit macht?«
Răzvan hatte aufmerksam zugehört. »Es muss so gewesen
sein, und ich bin mir sicher, dass er es selbst war. Er ist ein ›Gambler‹, wie
heißt das auf Deutsch?«
»Ein Spieler«, sagte Reiber.
»Ja, er ist ein Spieler. Deshalb ist er auch auf die
Skipiste geflüchtet. Es war ein Spiel. Katz und Maus. Jäger und Gejagter. Er
hat noch nie verloren, deshalb spielt er auch so gerne. Er glaubt, er sei
unverwundbar, er meint, keiner könne ihm das Wasser reichen. Er ist überzeugt,
dass er immer schneller ist.«
»Und genau damit hat er verzockt!«, rief Reiber. »Das
war sein Fehler. Er hat nicht damit gerechnet, dass Gerhard ihm bei diesem
Skirennen Paroli bieten würde. Wäre er an mich oder Sie geraten, hätte er
spielend gewonnen. Wie immer. Aber er ist an einen verdammten Allgäuer geraten,
wo die alle besser Ski fahren, als aufrecht zu gehen.« Reiber gab Gerhard einen
freundschaftlichen Knuff.
»Und nun? Wie geht’s weiter?«, fragte der.
»Ich lasse Constantin Nagy suchen. Ich krieg eine
Europol-Fahndung durch, auch wenn das mit der Vergleichsprobe dünn ist.«
»Und wir sehen uns auf jeden Fall die
Überwachungsvideos nochmals an, womöglich ist irgendwo ein Mantelzipfelchen von
Constantin zu sehen. Bisher haben wir auf ihn ja nicht geachtet! Wir hatten ihn
nicht auf der Rechnung. Wir versuchen über alle infrage kommenden Airlines und
Flughäfen eine Einreise von Constantin Nagy zu beweisen«, sagte Reiber.
Es war ein wenig traurig, Răzvan zu verlassen. Die
Ereignisse hatten die drei Männer zusammengeschweißt. Sie hatten in der Kürze
der Zeit so viel erlebt, Tage im Zeitraffertempo, Tage, die unentwegt
Forderungen gestellt hatten – an den Mut und den Instinkt. Gerhard und Reiber
flogen heim, diesmal hatte Reiber einen Flug nach München gebucht, weil der
Berlinflieger schon voll war. Außerdem hatte er nun Freunde in Bayern.
Diesmal hatte die S-Bahn keine Verspätung, der Zug
zuckelte ebenfalls ohne Komplikationen durch den frühen Abend. Ab Starnberg lag
Schnee, der Winter hatte sich nun doch entschlossen, eine Visite zu machen. Es
war nach sieben, als sie am Bahnhof in Weilheim ankamen.
»Sollten wir Evi anrufen?«, fragte Reiber.
»Lass gut sein, es reicht, wenn wir morgen berichten.
Ich kann mir ihre Standpauke heute schon lebhaft vorstellen. Ich brauch jetzt
nur noch …«
»… was zu essen«, ergänzte Reiber.
Als sie den labenden Toni erreicht hatten, als das
Gyros auf dem Tisch stand, als Gerhard ein paar Leute begrüßt hatte, senkte
sich ein Gefühl von Ruhe über ihn. Er war hier zu Hause, er war angekommen. Zum
ersten Mal spürte er das so deutlich. Nach einer Weile fragte er:
»Magst du nicht Jo anrufen, dass sie dich abholt?«
Reiber schüttelte den Kopf. »Nein, ich geh jetzt erst
mal in die ›Post‹. Ich mag weder erzählen noch Fragen beantworten. Ich muss den
Wirrwarr in meinem Kopf sortieren, Gedanken von links nach rechts schaufeln.
Ich muss Wege frei räumen, dass neue Gedanken überhaupt durchkommen.«
»Jo killt dich, wenn sie weiß, dass du da bist und
dich nicht gemeldet hast«, grinste Gerhard.
»Und deshalb wirst du schweigen wie ein sehr tiefes
Grab. Denn sonst«, er zwinkerte Gerhard zu, »lass ich eine Bemerkung über eine
wahnsinnig schöne Rumänin fallen. Und dann wirst du in einer Fragensalve
umkommen!«
Das hatte nicht anzüglich geklungen, es war Geplänkel,
Geplänkel unter Freunden. Ja, Gerhard hatte einen Freund gewonnen. Er und
Reiber, vor einigen Jahren hätte ihm das keiner erzählen dürfen.
Er fiel halbtot ins Bett, der Nichtschlaf der vorigen
Nacht machte sich bemerkbar. Er lächelte in sich hinein. Einen kleinen Zettel
hatte er vorsichtig mit einem Stein beschwert, der auf seinem Küchentisch lag.
Ein Stein in Rosé, den er kürzlich mal beim Joggen gefunden hatte.
NEUNZEHN
Es war gegen acht, als er ins Büro kam, Reiber hatte
sich ein Taxi genommen, Evi trudelte auch gerade ein.
»Ach, die Herren!« Sie überlegte kurz. »Ihr wart
zusammen unterwegs! Wahnsinn!«
»Ich hab doch gesagt, es gibt keinen Alleingang«,
grinste Gerhard.
»Na, da bin ich ja beruhigt. Und?«
»Ja nun, Evilein, wir haben uns weitergebildet, was
die EU -Osterweiterung betrifft.
Wir waren in Rumänien, wir …«
»Ihr wart wo?« Evi rollte regelrecht mit den Augen.
»Rumänien, und das war so.« Gerhard und Reiber
erzählten abwechselnd, sie waren ein
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