Hundstage
Senatsbeamte entgegen, freudig bewegt; er habe persönlich mit Herrn Schätzing gesprochen, « eigenhändig» und Adolf Schätzing habe «ja» gesagt, und er lasse die Herren grüßen, was gar nicht stimmte.
Allgemeines Händegereibe. Wundervoll, herrlich, die Kuh war also vom Eis.
Gleich noch ein Telefongespräch mit dem Senator – «DDR? Ah, gut!» – und eins mit der Presse, die sich nach Hintergründen erkundigte.
Dann hatte Schubert zu tun, die übriggebliebenen Belegstücke einzusammeln. Auch nahm er den Bierbricken an sich, den Achilles bekritzelt hatte: Von den benutzten Pfeifenreinigern von Engelbert von Dornhagen schreckte er denn doch zurück, obwohl dieser immerhin plus minus achtzehn Bücher geschrieben hatte.
Ob die Herren noch eine halbe Sekunde Zeit hätten, fragte Schubert, die Fahrtkosten! – Jeder mußte ein kompliziertes Formular ausfüllen, in dem ihm eintausend Mark für die Sitzung avisiert wurden, «plus Erstattung der Fahrtkosten», was den hamburgischen Herrn Neelsen dazu brachte, zu sagen: Er komme dabei am schlechtesten weg, ob er die S-Bahn auch mit aufschreiben darf?
Dann gingen alle an der nach irischem Frühling riechenden Servierhilfe mehr oder minder keck vorüber, dem Festmahl entgegen. Neelsen rechnete nach, daß die Jury-Runde für Spesen aller Art im laufenden Jahr mehr verbraucht, als der Preisträger kriegt, aber das wollte keiner so recht hören. Man soll schlafende Hunde nicht wecken, hieß es. Wenn sie auf das Geld verzichteten, dann würde der Brockes-Preis trotzdem nicht höher dotiert werden, weil das nämlich anders verbucht wird.
«Das kennt man ja, wie das dann läuft.»
Spät würde es noch werden, das war allen klar, und das wollten sie auch so, denn der Austausch von literarischem Klatsch war es, auf den sie nicht verzichten konnten. Es war doch wahnsinnig interessant, daß Lucinde Pechel, die in den frühen Siebzigern gute alte Weihnachtslieder in kommunistische Propagandasongs umgedichtet hatte: O Kapital, o Kapital,
wie heiß sind deine Aktien …
daß diese Frau jüngst Redakteurin im konservativen «Globus» geworden war: Man würde ihr das genausowenig ankreiden wie Holderbusch die Sache mit der Zuhälterei. Holderbusch, dieser Schafskopf? »Die Regensauerei»? Wie kann man ein Buch unter einem solchen Titel schreiben? Und dann noch dies Dings über die Atomsache? «Strahlende Zeit» … Das sei ja auf eine Weise fatal, daß es einem die Schuhe ausziehe !
«Was er danach wohl macht? Vielleicht Gastarbeiter?»
«Hat er ja schon.»
«Und wenn er wenigstens schreiben könnte …»
«Sagen Sie das nicht …»
Als Sowtschick grade eben die gewalttätigen Erfahrungen zum besten geben wollte, die er mit Holderbusch gemacht hatte, kam ein gewandter Oberkellner mit den in Leder gebundenen riesigen Speisekarten und begrüßte die bedeutsame Runde: «Wünschen die Herrschaften einen Aperitif?» Er brachte auch einen «Eschenbacher» für Achilles, der laut in die Gegend schrie, daß er zwei Berufe habe, einen zum Geldverdienen und einen zum Geldausgeben, und schon bald schmausten die Herrschaften behaglich und erzählten sich, daß Holderbusch vor Jahren mal einen Roman über die rote Weltrevolution geschrieben habe, «Der Trommler», den kein Mensch kenne und der nirgendwo besprochen worden sei. In diesem Roman stünden Sachen drin … Also … das sei selbst der DDR zu stark gewesen. Er habe ihm neulich bei einer Lesung das Dings zum Signieren hingeschoben, erzählte von Dornhagen, und da sei Holderbusch erbleicht!
Dann kam Prack an die Reihe. Der habe sein Geld in Marmeladenaktien angelegt, wurde gesagt, und Rogalla, dieser fünfundvierzigjährige Jüngling, lebe mit einer dicken alten Frau zusammen: Mutterkomplex, weil schwul, irgendwie so.
Neelsen beschwerte sich über den Sprachverfall, den die Jugend ausgelöst habe, «ätzend», «echt toll» und ähnliches. Das konnten die anderen nun wieder nicht verstehen, im Gegenteil, «jemandem in die Socken schießen», zum Beispiel, dieser Ausdruck sei doch eine ausgesprochene Bereicherung der deutschen Sprache? Im neuen Duden, das könne er ja mal nachlesen, da stünde sogar «Jippi» drin, ein Ausdruck, den man übrigens mit «Yuppie» nicht verwechseln dürfe.
Alle erzählten von ihren Söhnen und Töchtern, was die für eine flotte Sprache am Leib hätten.
«Ohne Dings kein Bums», sagte Sowtschick und erntete damit den Lacherfolg des Tages.
Achilles, der dreimal verheiratet
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