Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
Is das nicht ’n bißchen doll?» Kopfschüttelnd wandte er sich seinen Akten zu. Wo war man stehengeblieben? Ach ja … Er hätte sich ja gar nicht herbemüht, sagte er, wenn da nicht die Sache mit der Kette wäre.

    «Kette?» fragte Sowtschick.

    Ja, man habe eine goldene Kette samt Anhänger bei der Toten gefunden, einen Anker mit «A. S.» drauf. Der Verschluß sei gewaltsam geöffnet, das heißt, die Kette sei dem Eigentümer ebendieser Kette vom Hals gerissen worden.

    Der Kommissar kramte aus seiner Aktentasche eine Cellophantüte hervor mit Sowtschicks Kette drin. Er hielt sie ihm hin, ohne sie herzugeben: Ob Sowtschick diese Kette kenne?

    Natürlich kannte Sowtschick sie: Herz geht vor Anker, in der jungen Ehe, als die ersten Anfechtungen angeschwebt kamen, habe er sich das Dings gekauft …

    «Anfechtungen?»

    «Nun ja, mal hinterhergeguckt, jungen Mädchen, und dann nach Lesungen, der eine oder andere junge Mensch …»

    «Soso. Und wie kommt die Kette in den Besitz der Toten?»

    Da erzählte Sowtschick, daß ihn das Kind in einem Anfall von Übermut mit Kirschkernen bespuckt habe, das Hemd müsse noch im Wäschekorb liegen, «meine Frau ist ja nicht da …», und daß es bei der Gelegenheit zu einer kleinen Rangelei gekommen sei, bei der ihm dann das Mädchen, dieser halbe Junge, die Kette vom Hals gerissen habe.

    «Hier sehen Sie», sagte er, «die Strieme ist noch zu sehen.»

    «Und Sie haben sich die Kette nicht wieder aushändigen lassen?»

    «Nein, das Mädchen ist ja weggelaufen.»

    Das kam dem Polizeibeamten merkwürdig vor, die Kette sei doch schließlich aus – «Moment mal…» – achthunderter Gold, so was läßt man doch nicht einfach sausen … Und er mochte denken, daß es Sowtschick gewesen sei, der das Kind in den Graben gestoßen hatte, nachdem er es «mißbraucht» oder mindestens unsittlich berührt habe, und daß es ihm in seiner Todesangst dies Kettchen vom Hals gerissen hat.

    Das alles dachte Wagner, und Sowtschick wußte, daß er es dachte. Aber der Haken an der Sache war, daß das Mädchen nicht «mißbraucht» worden war und daß es das Kettchen nicht in der Hand gehabt hatte. Es war in seiner Hosentasche gefunden worden.

    «Wir müssen nun sehen, was wir weiter herausbringen», sagte der Beamte, dem das auch klar sein mochte, und sammelte die Tatortfotos ein wie tote Fische in einen Korb. Dann fragte er, ob Sowtschick ganz allein hier wohne in dem großen Haus, obwohl er das doch wußte … Wie gut, daß Sowtschick ein Geschwisterpaar engagiert habe, da sei dieser Teil seiner Weste jedenfalls schneeweiß.

    «Das ist sehr gut», sagte Wagner. «Hören Sie, das ist sehr gut. Und die beiden Rademachers sind ja wohl auch nicht jeden Tag da, was?»

    Fürs erste war genug ermittelt. Das Wort «halber Junge» notierte sich Wagner noch, sowie anderes, zur Sache Gehöriges. Gern hätte er noch gefragt, wo Sowtschick am Vortage, also zur Tatzeit, gewesen sei, aber das brauchte er nicht zu fragen, das hatte er schon von Adelheid und Gabriele erfahren. Beim Hinausgehen sagte Sowtschick: Daß er die Jugend hier zu Studienzwecken versammelt habe, er wolle mal herausbekommen, wie Jugend so denkt, ob die nur genußsüchtig ist oder auch mal kräftig zupackt … und daß er das eventuell in einem Roman verarbeite, der Anfang sei schon gemacht.

    «Wie gut, daß ich gestern in Hamburg war, und zwar den ganzen Tag, und daß ich das auch beweisen kann. Sonst käm ich womöglich noch in Verdacht!»

    Der Beamte sah ihn länger an, als zu rechtfertigen war, doch dann wurde sein Blick weich, und er sagte: «Wunderbar haben Sie’s hier…», und: «Hoffentlich kriegen wir den Kerl bald, der das arme Mädel …» Er lobte die fortgeschrittenen Eingitterungsmaßnahmen, rüttelte an den Stäben und grüßte die Handwerker, die mit offenem Munde dastanden und endlich ihre Arbeit wiederaufnahmen.

    Es schloß sich noch ein kurzer Gang in den Garten an, in dem Hoenisch damit beschäftigt war, menschliche Pyramiden zu bauen. Wagner wollte die Stelle sehen, wo Sowtschick sich mit Erika gebalgt hatte. Es folgte eine Besichtigung der Höhle, der Sack, der vor dem Eingang hing, wurde beiseite gerafft, da der Kommissar jedoch seine Taschenlampe im Wagen gelassen hatte, wurde sie auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

    «Bitte nichts anrühren …»

    Sowtschick machte dem Polizeibeamten vor, wie er, um nicht das gefährliche USTINEX benutzen zu müssen, die Disteln auf der Allee austritt, und

Weitere Kostenlose Bücher