Hundstage
er sagte, daß er am liebsten alles wild wachsen lassen würde, aus Liebe zur Natur. Am Auto stehend erzählte Sowtschick dem Kommissar noch, daß er sich neulich die Moorhütte angesehen habe, draußen bei Senneschalk, da hätten offensichtlich noch vor ganz kurzer Zeit Penner gehaust. Vielleicht hätten die ja den Mord begangen. Oder die Ohltrop-Mörder? Ob er mal an die gedacht hat? «Wie kommt das eigentlich, daß die noch immer nicht gefaßt sind?» Was den Workshop betreffe, «die gemeinsame Lesung mit Ihrem Schwager, Herr Kommissar», da meine er, sollte man vielleicht doch schon im Spätsommer drauf zugehen … «Man soll das Eisen schmieden, solange es heiß ist.»
An der Hecke stand das Pony der Pferdemädchen. Das ließ ab vom Rupfen und kam herangeschritten.
«Wir müssen sehen, wie wir weiterkommen», sagte der Polizist und klopfte dem Tier aufs Hinterteil. Er denke eben, ob er die Strieme am Halse Sowtschicks mal fotografieren dürfe? Ja? Und er nahm einen Fotoapparat vom Beifahrersitz, an dem die Schutzkappe touristenartig herabhing, und vollbrachte es recht umständlich. Dann startete er den Motor und fuhr ab.
Im Garten war man vom Bau menschlicher Pyramiden abgekommen. Man vergnügte sich an einer Art verknäueltem Judo: Die Schafe waren bis in den äußersten Winkel der Wiese zurückgewichen, und die Hunde umsprangen das menschliche Gewühle. Die Kaninchen in ihren unterirdischen Territorien dachten gewiß, die Welt geht unter. Sowtschick wurde aufgefordert, sich an dem Gewühl zu beteiligen, sich also auch mal umschmeißen zu lassen, die Mädchen wären nicht untalentiert.
«… sei kein Frosch …»
«O ja!» riefen die Pferdemädchen und rannten auf ihn los. Er aber lehnte ab. Nicht auszudenken, wenn Wagner zurückgekommen wäre und ihn womöglich bei solchem Sport ertappt hätte.
«Kinder», sagte er, «was ich eben erlebt habe, das glaubt ja kein Mensch.» Er sei ganz regulär verhört worden! Erst, als er es aussprach, wurde ihm das bewußt.
«Was?» sagte Hoenisch, «verhört?» Das sei ja makaber. Er fühle sich direkt an die Gestapo erinnert… Er selbst sei mal wegen Überfahrens der weißen Mittellinie gestoppt worden, «also, das hätt’ ich euch gegönnt. Nun ja, die Bundesrepublik. Bei Gott ein Scheißstaat.»
Das Selbstverteidigungstraining wurde beendet, die Hunde ins Haus gesperrt, die Pferdemädchen fortgeschickt. Mit zwei Wagen fuhr die Gesellschaft ins Gasthaus zum Essen. Vor der alten Schule stand das Polizistenauto. Kommissar Wagner wollte bei seinem Schwager wohl noch weitere Informationen einholen.
In der «Linde» angekommen, weigerte sich Frau Läuffer, das Auto zu verlassen. Sie habe Brote mit, sagte sie, und daß sie mit Sowtschick, diesem Reaktionär, der ein Schwimmbad ganz für sich allein hat, nicht an einem Tisch sitzen wollte, war klar. «Sozialfall», Kriegsschiffe, Marmelade aus Südafrika: Das reichte. Außerdem: Wer konnte denn wissen, ob an den Beschuldigungen der Polizei nicht doch was dran war? Wer konnte das denn wissen? Ins Bild paßte das jedenfalls. Sie blieb also im Auto sitzen, obwohl es knallheiß war darin, und es nützte auch nichts, daß Hoenisch «Bitte-bitte» machte. Nein, sie säße absolut bequem in dem Auto, sie fühlt sich da mausewohl. Nun – «helf’ er was» –, dann eben nicht.
Die vier gingen ins Gasthaus und setzten sich in die Dichterecke. Die Mädchen bekamen eine Cola, und die Männer tranken den Sassenholzer Spezialschnaps. «Der hebt einem ja die Fußnägel», sagte Sowtschick nach alter Gewohnheit. Draußen hatte der malle Schäferhund seine Tatzen aufs Autofenster gestellt, der studierte, wie Frau Läuffer ihr Brot ißt.
Filetsteak mit Erbsen und Wurzeln: Die kleine Gesellschaft wurde nicht allein vom Wirt bedient, sondern auch von dessen Frau. Die Tür der Küche stand offen, und die Küchenhilfe guckte unverwandt in Richtung Dichterecke. Der Wirt und seine Frau blieben nach dem Servieren am Tisch stehen: So also sieht ein Mörder aus? mochten sie denken.
Ewald Hoenisch, der sich als frischgebackener Nichtraucher doch noch eine «klitzekleine» Zigarette genehmigt hatte, die er nach drei Zügen und einem vierten allerdings wieder ausmachte, erzählte von einem Bekannten, der einen amtlichen Verdacht, allerdings terroristischer Natur, also ganz anders gelagert, obwohl unbegründet, nie wieder losgeworden sei.
«An jeder Grenze winken sie den raus.»
A uch an diesem krausen Tag hatte das Land
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