Hundstage
gesehen worden, ihr Tod sei gegen neun Uhr dreißig eingetreten, und Sowtschicks Hamburg-Aufenthalt sei erst ab dreizehn Uhr belegt, großzügig gerechnet… Sowtschicks Mädchen hätten angegeben, daß er nicht früher als neun Uhr und nicht später als elf Uhr das Haus verlassen habe. Ja? Komme das hin? Da fehle also, wiederum großzügig gerechnet, eine Spanne von zwei vollen Stunden, mindestens, die nicht belegbar seien.
«In zwei Stunden kann man ’ne Menge anstellen, finden Sie nicht auch?» Ob Sowtschick ihnen mal verraten könne, woher die Torfspuren in seinem Auto kämen? Er habe doch gesagt, er hasse die Natur und gehe nie spazieren? Außer in seinem eigenen Garten? Wo seine Frau stecke, wollten sie sodann wissen, und wie es mit der ehelichen Gemeinschaft stehe?
Daß Sowtschick absolut nicht wußte, wo sich seine Frau aufhielt, kam den Beamten merkwürdig vor. Am Meer? Am Atlantik? Der Atlantik sei groß, ob seine Gattin aus freien Stücken nach Frankreich gefahren sei? Oder ob er sie listigerweise weggeschickt habe, um freie Bahn zu haben für all seine Abartigkeiten?
Die Vernehmung – den Ausdruck «Verhör» verbat sich Steguweit – hatte ganz den Charakter eines Schlagabtausches angenommen. Wie Riesen standen sie einander gegenüber, die sich über öde Zwischenräume hinweg was zurufen. Sowtschick sah mit Verwunderung, wie sich das Netz zusammenzog. Er, Erika zu Tode bringen? Da waren seine Sehnsüchte anderer Art. Eher umgekehrt, dachte er, eher sich dem Sanften beugen, als es zu zerstören …
« Herr Sowtschick!» sagte Wagner. Ob er ihm mal verraten könne, zu welchem Zweck er in Kreuzthal einen Strick gekauft habe? Bitte schön? Diesen Kälberstrick da? Letzte Woche? Und ob es stimme, daß er in der Apotheke laut verkündet habe, er brauche Unkrautgift, um seine Frau umzubringen? Wie solle man das bitte verstehen? Er selbst sei ein einfacher Mann, aber soviel könne er sich doch zusammenreimen, daß da was nicht stimmt.
Sowtschick fragte, ob Erika denn nun aufgehängt, vergiftet oder ertränkt worden sei? Ob man nicht besser zur Sache komme?
«Bitte schön!» sagte Steguweit und räusperte sich: Er wolle jetzt mal ganz konkret werden und Nägel mit Köpfen machen: Ob er dem Herrn Schriftsteller mal den Tathergang erzählen dürfe, ja? Schlicht und ergreifend? Seiner Meinung nach, und da stimme Wagner mit ihm überein, habe es sich folgendermaßen zugetragen: «Sie haben sich in Ihrem Garten dem Mädchen wiederholt genähert, das ist bezeugt. Sie haben sich gebalgt mit ihm, es in den Keller gesperrt.» Er habe es berührt bei diesen Aktivitäten, es umschlungen, umarmungsartig, aus der Grätschhaltung heraus, rittlings oder in Vorhalte, und sich mit ihm am Boden gewälzt. Wahrscheinlich wär er bei diesem Herumgewälze irgendwann einmal zu weit gegangen, und da sei das Mädchen, aus was für Gründen auch immer, auf die Idee gekommen, ihn zu erpressen. Zuerst spaßhaft geäußert: Das melde ich! Wie Schulkinder es tun, dann die Drohung öfter wiederholt: Das sag ich meinem Vater. Ein solcher intensiver Körperkontakt zwischen ihm als VIP und einer Halbwüchsigen, auch wenn der Wahrheitsgehalt von niemandem hätte überprüft werden können, wenn der bekanntgeworden wäre, das hätte doch fatale Folgen für Sowtschick haben müssen! Die Öffentlichkeit, die Leser. «Wie da wohl die Presse angerauscht gekommen wäre!» Oder? Mit kleinen Mädchen sich abgeben? Als erwachsener Mann? Hätte das fatale Folgen gehabt? Ja oder nein? All die Geschenke, der kleine Spiegel in echt Schlangenleder, das indische Kugelspiel, der große Schlüssel, das Moped! Man verschenkt doch nicht einfach ein Moped aus purer Nächstenliebe? Mit dem Moped habe wahrscheinlich der Vater prophylaktisch mundtot gemacht werden sollen?
Das Mädchen habe ihn also erpreßt, schlicht und ergreifend, das sei doch sonnenklar, wie anders könne Sowtschick es denn sonst erklären, daß er dem Mädchen dauernd Eis spendiert habe?
«Sie sind beobachtet worden», sagte Steguweit, stand auf und zog die Hose hoch, «wie Sie die Dorfstraße entlanggegangen sind und den Arm um das Mädchen zu legen versucht haben. Das Mädchen hat sich angeekelt losgemacht und ist dabei fast unter ein Auto gekommen» – dies habe ein Gewährsmann ausgesagt – «und bald darauf ist es mit einem Eis der höheren Preisklasse aus dem Wirtshaus herausgetreten.» Kurz gesagt: Erika Witschorek habe ihn erpreßt, und er habe das Kind zunächst mit
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