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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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«Pique» wollte eine Art Confessio von ihm, wie er es mit Frauen am liebsten treibt, er habe doch, wie man höre, einschlägige Erfahrung? «Eine Confessio», so drückte sich der betreffende Redakteur aus, die witzig, spritzig und natürlich im ästhetischen Sinne einwandfrei sei?

    Sowtschick spielte herrlich Klavier, und dann spazierte er im Garten auf und ab. Auf jeder Distel drehte er den Hacken, und das Wasser schlug er an der dafür vorgesehenen Stelle ab. Kopfschüttelnd betrachtete er den niedergetretenen Zaun und die Farbbeutelflecken an seinem schönen Haus. Hier war das Chaos über die Ufer geschwabbt: Eine Mauer würde in Auftrag zu geben sein, mit Stacheldraht obendrauf.

    Von der Laube aus sah er, wie die Fenster aufgestoßen wurden. Ein Mop erschien und wurde ausgebeutelt. Staubsaugergeräusch drang bis zu ihm hin. Nun kam das Schlosserauto, die Zellentür wurde gebracht und ins Haus getragen: Fabelhaft! Wie das alles flutschte!

    A ls Sowtschick gegen Mittag das Haus wieder betrat, war alles in bester Ordnung. Sogar Blumensträuße standen herum, einer stammte von Carola Schade: Als Glückwunsch für die überstandenen Ängste. (Sie hätte auch ’n Haufen Schwierigkeiten gehabt!) Sowtschick wollte gerade den Fotoapparat vor Augen nehmen und die Blumensträuße knipsen, als der Pastor erschien. Er trug ein verwaschenes Hemd unter einer verwaschenen Jeansjacke, als Ausweis für seine moderne Gesinnung. Bei einer Demonstration würde er den Talar angezogen haben. O Ewigkeit, du Donnerwort! Sehgras, der gewaltige Apostel mit dem blond-lockigen Mosesbart, kam breitlächelnd herein, offensichtlich um gut Wetter zu bitten, und das war klug von ihm, denn Sowtschick hatte dessen Aussage nicht vergessen, daß er Erika auf der Dorfstraße angetatscht und ihr Eis spendiert habe, und zwar ein Eis der höheren Preisklasse …

    Während die Nichten im Studio, Marmeladenbrote in der Hand, unter dem Flügel sämtliche Briefe der Größe nach sortierten, nötigte Sowtschick seinen Gast in das grüne Sofa, direkt unter das Schafbock-Bild. Von hier aus würde er den Bibliotheksgang vor sich haben mit Adelheid, die die Blumen goß, und außerdem das Studio überblicken können mit den Nichten, die sich nun bereits balgten und konfettiartig mit den Briefen beschütteten, die sie gerade eben der Größe nach sortiert hatten. Während des einleitenden «Wie geht’s, wie steht’s» besah der Pastor die Porzellanfigur, die auf dem Tischchen stand: ein Jüngling in Bundhosen, einen Dreispitz auf dem Kopf, der zwei kleinen Mädchen ein Lied auf der Laute vorspielt.

    Adelheid kam mit dem Blumengießen näher und näher (auch welke Blüten waren abzuknipsen), die Strecker und Heber ihres Oberarms spielten unter der zarten braunen, mit goldenen Härchen bedeckten Haut.

    «Wo haben Sie bloß die schönen Sachen her?» fragte der Pastor, drehte die Figur und guckte unter den Sockel, ob da vielleicht «Meißen» steht. «Bei Ihnen sieht man immer wieder was Neues.» Er sei zwar für so was nicht, aber den Wert erkenne er durchaus!

    Jetzt erschien auch das Löwenheckerchen, ein weißes Blüschen und dazu einen taubengrauen weiten Rock. Sie brachte den beiden Herren ein Tablett mit Orangeade. Sowtschick bedankte sich, indem er ihre Hand nahm und ulkend küßte.

    Herr Witschorek sei da, der wollte den Zaun flicken, ob er das dürfe? sagte sie, und Sowtschick antwortete: «Heute nicht, er soll nächste Woche mal rumkommen.» Er sah es noch vor sich, wie dieser Mann mit der Axt gedroht hatte. Verständlich war’s gewesen, aber doch ein bißchen arg. Dem konnte etwas Nachdenken nicht schaden: Mal ’ne Liste zusammenstellen von all den Sachen, die man dem schon geschenkt hatte.

    Nachdem das Löwenheckerchen gegangen war, stellte Sehgras die Figur wieder an ihren Platz und sagte: «Ad rem!» Er freue sich, daß die leidige Sache an Sowtschick nun doch wohl vorübergegangen zu sein scheine. Die Untersuchungen würden von ihm abgezogen, wie er erfahren habe, wegen des sich angefunden habenden Alibis, daß also die Volksmeinung, die ja oft ganz grundlos einen Menschen an den Pranger zerre, erfreulicherweise ins Unrecht gesetzt worden sei. Aber – Sowtschick solle es ihm nicht übelnehmen, eine solche Beinahe-Katastrophe … In der Luftfahrt gäbe es Fast-Zusammenstöße … Eine solche persönliche Gefährdung käme nie von ungefähr? Er, selbst er habe sich gefragt, ob wir Männer nicht schuld seien, wenn die Allgemeinheit

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