Hundstage
bad».
Endlich kam die Frau. Sowtschick bedankte sich bei den Leuten dafür, daß sie sein «petrol» genommen hatten und das Buch, und dann fuhren sie davon.
Sowtschick fühlte sich festlich gehoben von diesem Ereignis. Er dachte: Sonderbar, was ein Tag alles hergibt, und er ging auf sein Haus zu, das in vollem Licht erstrahlte. Er koste die Hunde, die an ihm emporsprangen und ihm das Kinn leckten, und dann spielte er auf dem Flügel die ersten Takte der großen Polonaise von Chopin, und zwar fast fehlerfrei.
Dann ging er hinauf. Und während im Keller die Schattenzwerge wieder einzogen, mit ihren hellen Stimmen, Spielkarten auf den Tisch knallend, und die Hunde es sich auf den Kaminsesseln bequem machten, saß Sowtschick in seiner Fluchtburg und ließ das Erlebnis dieser Nacht an sich vorübergleiten: Der Engländer hatte in der Halle gesessen, wie sonst niemand in diesem Haus saß, wie der wohl froh gewesen war, so billig an Benzin zu kommen. Die Frau mit ihrem strähnigen Haar, puffmutterartig … Unverständlich, daß man es mit einer solchen Frau aushielt, da war Marianne doch ein anderer Schnack … Auch andere Bilder glitten vorüber, der Moment seiner Gefangennahme in Rußland, das Waldstückchen … Er sah die Russen vor sich: In ihrer Verblüffung waren sie gar nicht auf die Idee gekommen zu schießen. «Frietz!» hatten sie gerufen, und dann waren er und sein Kamerad Lehmann nach hinten geführt worden, ins Leben, während die Russen nach vorn gingen, in den Tod, wie sich kurz darauf herausstellte.
Sowtschick langte sich das Tagebuch und schrieb das nächtliche Erlebnis ein. «Donkey». Hatte er wirklich «donkey» gesagt, als er auf den großen Schlüssel zeigte? Sie solle mal gucken, was das für ein riesiger «donkey» sei? Wie komisch – diese Leute mußten ihn ja für komplett verrückt gehalten haben.
Wie auch immer: Sowtschick steckte sich Ohropax in die Ohren und nahm – Nieren hin, Nieren her – eine Schlaftablette. Nach zehn Minuten schlief er ein, ohne daß die Moleküle seines Fleisches Zeit gehabt hätten, sich auf modrigem Grund zu lagern. Daß die flatternden Geräusche unten in seinem Haus wieder anhoben, nahm er nicht mehr wahr.
S owtschick wachte am nächsten, strahlend durch Baumwipfel brechenden Morgen trotz der Schlaftablette schon um acht Uhr auf, weil sich unten im Haus nichts rührte. Frau Schmidt, die Reinemachefrau, die sonst in aller Frühe damit begann, an Stühle zu stoßen, war anscheinend nicht gekommen – wenn Sowtschick nicht augenblicklich hinunterspränge, würden sich die Hunde in das Haus erleichtern.
Die urwüchsige Reinemachefrau war schon seit fünfzehn Jahren bei den Sowtschicks. Alexander hatte nichts gegen sie, abgesehen davon vielleicht, daß sie gelegentlich die Ferngläser von den Fensterbrettern nahm und beispielsweise in den Schuhschrank stellte, ausdauernd staubsaugte, und zwar zur Unzeit, und «nie den Stecker wieder reinsteckt», wie Sowtschick es in die Gegend schrie, wenn er eine Stehlampe anknipste, die dann keinen Mucks von sich gab. Auch hatte sie es auf die Glöckchen abgesehen. Sie hängte sie hoch oder nahm sie gar scheppernd ab.
Frau Schmidt war also nicht erschienen und würde auch in der nächsten Woche nicht kommen, wie telefonisch zu erfahren war, eine Tochter in Berlin, Verwandte aus der Ostzone, und so weiter und so fort.
Sowtschick haute es in sein Tagebuch: «Frau Schmidt nicht erschienen!» Dies würde er seiner Frau schon noch unter die Nase reiben.
Die Hunde hatten sich nicht in das Haus erleichtert. Dankbar strömten sie mit ihm nach draußen. Sowtschick nahm die Hundeleinen und ging mit ihnen an den Kaninchenterritorien entlang und die Allee hinunter. Er trat durch die weiße Pforte und schritt auf dem geschlängelten Weg dem Walde zu. Ein erfrischender Morgenwind schlug ihm das dünne Haar um die gebräunte Stirn. Knisternde Kornfelder, weißgelb gegen den dunkelblauen Himmel.
Der Wald war sogenannter Bauernwald, also kein staatlicher Forst. Hier ein Stück Kiefernwald, dort eine Fichtenschonung. Ein paar Hektar Pappeln, eine Wiese …
Der Jäger, der hier das Sagen hatte, war Holzhändler in der Kreisstadt. Er haßte alle Hunde außer seinem eigenen und kam nur an Wochenenden, der würde jetzt also nicht breitbeinig auf dem Weg stehen und, ohne «Guten Tag» zu sagen, das Anleinen der Hunde befehlen. Deshalb ließ Sowtschick seine drei Gesellen frei laufen. Jockel, der braune CorgieRüde, lief wie immer
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