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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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hatte, und zog sich zurück.

    Apahasi aß sich erst mal richtig voll, dann scharrte er hier und polterte dort. Nach zwei Stunden stöberte er den kummervollen Sowtschick in seiner Fluchtburg auf, Helm unterm Arm, und bedankte sich herzlich für die «Gassfroidschiff». – Daß hier oben noch ein Zimmer sei, das wunderte ihn und dafür lobte er Sowtschick sehr.

    Sowtschick habe doch irgendwelche Bücher geschrieben, fragte er zum Schluß, ob’s da nicht so Freiexemplare gebe?

    Auch das ließ sich machen. Sowtschick suchte zwei Taschenbücher heraus, «Kaum einen Finger breit» und «Malchus lebt», ein Buch, für das die Kritik nur wenig Lob übriggehabt hatte – die Wörter «kühn» und «gewagt» waren in den Besprechungen nicht vorgekommen –, und er signierte sie sogar, und zwar freundlicher als nötig.

    Ob er ihm nicht eine indische Münze besorgen könnte? fragte er noch, von dem Drang beseelt, auch etwas zu behalten von diesem Gast.

    Das versprach der junge Mann, bestieg das Motorrad und brauste ohne weiteres davon. Die Mofa-Jugend des Dorfes gab ihm freundlich-schneidiges Geleit. Sowtschick jedoch standen Glückstränen in den Augen: Endlich allein, und zwar klüger als zuvor.

    Er schloß die Pforte und ging von den Hunden begleitet ins Haus. Hier stellte er die Kaffeemaschine wieder auf das Fensterbrett, den Kartoffelkorb darunter. Dann zertrümmerte er die Marschplatten, die er vor Jahren für ein Hörspiel angeschafft hatte, und trug sie zum Mülleimer. Er winkte den Sozialfall herbei, der sich hinter einem Baum bereithielt, spendierte ihm eine Fanta und spielte sodann Verstecken, was damit endete, daß die beiden rücklings auf ein Sofa fielen.

    S owtschick saß da mit seinem Talent. Nun bedauerte er es, daß er der Scherenschleiferin keinen Zettel zugesteckt hatte: «Ruf mich an» oder so ähnlich. Er hätte sie von ihrem Macho abbringen können und hier in aller Freiheit halten wie einen Bambusbären. Tagsüber hätte sie auf der Mauer gesessen und sich eine Zigarette gedreht, oder sie hätte sich in der Laube die Nägel poliert. Diener spielen und ihr Orangensaft in den Garten bringen oder sie am Herd stehen und für ihn brutzeln lassen. Am rohen Küchentisch sitzen und Rotwein aus Pappbechern trinken. – Sie würde beim Kochen rauchen, das stellte er sich vor, er sah es ganz genau. Und er sah auch ihren bloßen Leib, die verkorkste Nacktheit unter der Schürze …

    Nachts ging er die Reihe seiner Freunde durch, die er besuchen könnte oder die zu ihm kommen würden, wenn er sie riefe. Aber da war nicht viel. Was irgend Kopf und Beine hatte, strebte zu dieser Jahreszeit nach Sylt oder nach Griechenland. Und was erreichbar war, nahm sich bei näherem Zusehen nicht gerade vorteilhaft aus. Der immer so sehr laut sprechende Hinze, ungeschlacht und besitzergreifend, oder Michael Hartlieb, der Musiker, der ungebeten schwerverständliche Beethoven-Sonaten spielte, die er als trocken bezeichnete. Hartlieb kam außerdem stets mit der ganzen Familie, mit schlecht erzogenen Kindern also, die dazwischensprachen oder Mariannes Sweetmeats anfaßten, und mit einer Frau, die vor zwanzig Jahren Sowtschick gefragt hatte, ob er Taschen bücher schreibe und seitdem in Verschiß war, was sie auch wußte.

    Engelbert von Dornhagen war der einzige, den er hätte dahaben mögen. Der wäre auch sofort gekommen. Aber dann? Was dann? Über Napoleon sprechen? Oder über Fingerling?

    Sowtschick war sich nicht recht klar darüber, wie der Mensch hätte beschaffen sein sollen, den er gerne bei sich gehabt hätte: Eine glutvolle Frau mit einem nordischen Ehemann, ganz erfüllt von seinen Werken, aber schweigsam, und der Mann wohlhabend, in künstlerischen Bereichen eher unbedarft, aber dafür unglaublich großzügig. Mit Haus auf den Balearen und mit Geschick, Geschenke zu machen, eine silberne Schale vielleicht, mit Achatkugeln gefüllt, oder ein Gemälde der Jahrhundertwende? Sowtschick stellte sich das Gemälde vor … Nette Menschen hätte er gern bei sich gehabt, die überraschend kämen, allerhand schenkten und schnell wieder abführen, die hätte er gern in seinem Haus begrüßt. Aber die gab’s auf der ganzen Welt nicht. So würde man denn nun die Juristin engagieren müssen. Da ging kein Weg dran vorbei. Wenn das bloß gutginge! Eine Frau mit Prinzipien? Kühl, logisch und natürlich humorlos?

    Nach einem Tag des Wartens und Hinundhertelefonierens, den er im wesentlichen händeringend verbrachte – in der

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