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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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antippen sollten, damit er weiß, was in seinem Haus vor sich geht, und ihnen auch mit Kreide Grenzstriche gezogen hatte, die sie von vier bis sechs Uhr nicht überschreiten dürften, «und die roten Markierungen auf der Bodentreppe sind dazu da, daß man sie beim Hinaufgehen benutzt, damit die Treppe nicht knarrt …», lieferte er sie in der Küche ab: «Hier hängen die Aufwischlappen …»

    Sowtschick ging in den Garten, marschierte die Allee auf und ab, Disteln zertretend. Er hätte gern einen Luftsprung gemacht vor Freude, … die Hunde hätschelte er auf eine Weise, daß sie lautes Wehgeheul von sich gaben. Er rief sich den Ablauf des Nachmittags noch einmal ins Gedächtnis, Bild für Bild: Es war eine Einholung gewesen, so konnte man sagen, problemloser als gedacht, wie eine Rückkehr längst bekannter Menschen. Heimat! Hier, sein Sassenholz, war Heimat für verwandte Seelen.

    Während er sich die einzelnen Stationen der Einholung vergegenwärtigte, dachte er immerzu: Aber da war doch noch etwas? Da war doch noch was anderes in sein Leben getreten, an diesem besonderen Tag, etwas Herz und Blutkreislauf Anfeuerndes? Irgendwas Neues, Sensationelles?

    Erst als er die Schafe umpflockte, fiel ihm dieses andere Anfeuernde ein, die Pferdemädchen waren es, mit denen es einen ersten Kontakt gegeben hatte, das hätte er ja beinahe vergessen. Er trat an den Zaun, genau an die Stelle, an der er mit den beiden ins Gespräch gekommen war. Vielleicht sollte man sich ein Pferd anschaffen, dachte er, und dann mit den beiden durch den Wald streifen … Aber nein, kein Pferd, das kriegte dann womöglich Koliken. Und: Was hätte er dann mit Adelheid und Gabriele tun sollen? Die hätten dann ja mit dem Fahrrad hinterherstrampeln müssen. Nein, wenn schon Pferde, dann vier oder fünf. Also dann lieber keins. Oder?

    H eiß war es in Sassenholz. «Schwefelsäure pur», wie es die kleine Gesellschaft nannte. Aus dem Kühlschrank hatten die Mädchen die verschimmelten Linsengerichte und die bereits in Verwesung übergegangenen Frikadellen entfernt, vor denen sich selbst die Hunde ekelten: «Addie und Gabü», wie Sowtschick sie jetzt nannte, seine «Kanalschwimmerin» und «das singende, springende Löwenheckerchen», kurz: sein Gespann. Es war ihm, der sich schon zum Schrankfresser entwickelt hatte, unbeschreiblich angenehm, am Tisch zu sitzen, links die flinke Gabriele, die ihm den Tee einschenkte, rechts die mit den Augen rollende, kräftige Adelheid, und sich ihre Geschichten anzuhören. Der Internatsroman, die Sache mit der Perlentaucherei … Alles wurde mehrmals erzählt, und Sowtschick hörte geduldig zu. Gurken, Radieschen und Tomate: Fünferlei verschiedenes Geschirr hatte er ihnen bereits abgewöhnen können; Pfanni-Knödel, Scheibletten, Fischstäbchen und Majala-Traumkrem: Im Prinzip herrschten Eiergerichte vor, Rührei, Omelette, Bauernfrühstück – Spiegelei und Senfeier nicht zu vergessen. Adelheid hatte einen gesegneten Appetit, während das Löwenheckerchen nur mal eben ein bißchen hier und da schnibbelte und naschte. Gern hörten sie dem Schriftsteller zu, mit wem der alles schon zusammengetroffen war. Mit Schauspielern jede Menge – «die sind oft ganz dusselig» – und natürlich mit Autoren, deren Namen in ihrem Deutschunterricht vorgekommen waren.

    Dafür lernte Sowtschick auf medizinischem Gebiet einiges dazu: Wenn Adelheid vom Toast abbiß, dann rutschte dieser Happen ihren Ösophagus hinunter (wie sie auf Sowtschicks Bitten hin repetierte), plumpste in den Ventriculus und gelangte von dort, wenn es an der Zeit war, durch den Pyorus portionsweise in das Duodenum und so weiter.

    Gabriele beklagte sich über den Deutschunterricht, Schiller, immer diese bescheuerten Frauengestalten: «Amalie rannte wider die Bäume», das sei doch unglaublich beknackt. Außerdem erzählte sie von Freundinnen, die gesagt hatten: «Was, zu Sowtschick, diesem Miesling, fährst du?» Die fänden seine Bücher öde, was doch gar nicht der Fall sei. Zum Beispiel dieses eine da, wie heiße es noch, das sei doch ganz ordentlich?

    Natürlich wurde Sowtschick von den Mädchen gefragt, ob er alles mit der Hand schreibt und warum Bücher so teuer sind, da wartet man doch besser, bis sie als Taschenbuch erscheinen? Auf diese Fragen, die ihn sonst auf die Palme brachten, antwortete er betont gelassen und so, als ob er es zum ersten Mal täte. Gegen Taschenbücher habe er nichts, sagte er, aber er signiere sie nicht.

    Im übrigen

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