Hundstage
auf dem verbrannten Gras, von den Schafen bei strammgezogener Kette unverwandt betrachtet. Auf der Allee trippelte eine ermattete Taube unschlüssig hin und her.
Sowtschick stellte sich zu den Mädchen, die auf dem Bauch lagen, und zwar ohne Oberteil, die eine mit mehr, die andere mit weniger, und Sowtschick richtete freundliche Worte an sie: Daß er soeben unglaublich toll gearbeitet habe, sagte er, man glaubt ja gar nicht, was einem so alles einfällt. Im Winterroman eine Sommererzählung! Und er hielt ihnen den Entwurf des Titelblattes hin – FLUT – und erzählte ihnen von Annemarie, der einsamen Frau am Meer, daß sie auf den Klippen steht und sozusagen ihre Felle wegschwimmen sieht, und er sagte, daß er noch Notizen machen muß für Fingerlings Sommererzählung, Sommer, wie ist eigentlich heißer Sommer? Was fällt einem ein, wenn man schwitzt?
Die Mädchen hoben kaum den Kopf. Irgendwie kriegten sie alles durcheinander. Zuerst war die Rede gewesen von einer Antiquitätenhändlerin? Dann von einer Geigerin, mit Kranz um den Kopf? Und nun auf einmal von einer Frau, namens Annemarie? Sommer oder Winter, das Meer oder das Hochgebirge. Was denn nun?
Da müsse er aber noch ’ne Menge dran tun, sagte Gabriele, wogegen Adelheid als Mutter Vernünftig vorschlug, er solle ihnen einmal alles vorlesen, von vorn bis hinten, und zwar bei Gelegenheit, dann kriegten sie das besser auf die Reihe. «Fingerling», der Name gefalle ihr nicht, warum nicht Martens? Oder Berding?
Hier war er nicht gefragt, das merkte Sowtschick. Fudge! Und er zog weiter. Ein bißchen ärgerte er sich darüber, daß Gabriele «Die Regensauerei» von Holderbusch neben sich liegen hatte. Saurer Regen hin, saurer Regen her: Holderbusch! Dieser linke Windbeutel! Hier in Sassenholz, wo die Luft von Ideen geschwängert war, sollten die Mädchen lieber seine Werke studieren, an ihrem Ursprungsort, sie vergleichen in ihren ersten, zweiten und dritten Fassungen und sich mit ihm, dem Autor, über schöpferische Prozesse unterhalten, Erfindungsreichtum und Motivverknüpfungen. Was für eine einzigartige Gelegenheit, einen Schriftsteller beim Notizenmachen zu beobachten! Und später dann herausbringen, welche der Notizen er verwendet hat und in welchem Zusammenhang. Deutsch-Leistungskurs: Für eine Jahresabschlußarbeit hätte er, Sowtschick, dann zu Diensten gestanden. Er hätte ihr die Disposition gemacht, ihr von seinen Ideen erzählt, mißglückte Entwürfe gezeigt und graphische Skizzen mit Spannungsbögen versehen.
Was den sauren Regen anging, den hatte Holderbusch doch schließlich nicht gepachtet. Den würde er in seinem neuen Buch auch schon noch unterbringen. Von der Atomsache ganz zu schweigen.
Sowtschick steckte das Notizbuch ein und gab den Schafen ostentativ frisches Wasser. Daran denkt hier ja keiner. Und als er das tat, sah er, wie einer der Schlosser, von Gebüsch zu Gebüsch Deckung suchend, sich fortmachte. Er hatte sich wohl auch für die Mädchen interessiert.
Sowtschick ging die Allee hinauf und hinunter und drehte den Hacken auf den Disteln, so wie er es den Mädchen vorgemacht hatte, daß sie es tun sollten. Er winkte der Kuh Bianca zu, holte sogar den Salzstein – doch Bianca wandte sich ab. Hier mußte verdaut werden, da war für Liebe kein Platz.
In der Ferne schaukelte Erika auf einem Ast. Sie sah ihn wohl, reagierte jedoch nicht. Die hat heut ihren einsamen Tag, dachte Sowtschick. Wie ich.
Zu allem Überfluß kam die Nachbarkatze des Weges und präsentierte ihm eine gefangene Maus, die sie wie einen Schnurrbart im Maul hielt. Sofort wurde sie weggejagt. Übelste Bilder mußten aus dem Gehirn gewischt werden.
Vom Haus her war zu hören, wie die Schlosser Gitter schweißten, Zischen und Knallen, und jetzt wurde Schlagermusik angedreht, extra laut wegen der trocknen Luft. Vor dem Haus, unter der Eiche, hatten sich die Pferdemädchen eingenistet, das Pony machte sich an Sowtschicks Edelbüschen zu schaffen. Sie waren in ihr Spiel vertieft. Sowtschick setzte sich zu ihnen. Soviel kriegte er mit, daß sich die beiden in einer Art Spieltrance befanden. Ein bißchen Muppet-Show, ein bißchen Kinderstunde war in ihre Spielwelt eingegangen, mit Petrapuppen faßten sie alles zusammen, was sie bewegte, in ihrem eigenen Reich. Von einem «Feldmannschar» redeten sie, womit ein Wurzelstock-Dämon gemeint war, dem die Puppen zu seiner Erheiterung beigegeben waren: zwei links, zwei rechts und eine hinter dem Thron.
So
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