Hundstage
besonderen Anlässen, jawohl.
«Treten Sie mal bitte hierherüber …»
Dies sei eine Truhe aus dem siebzehnten Jahrhundert, und in der sei einmal ein kleines Kind erstickt.
«Hier links sehen Sie den Schreibtisch des Autors.»
Während Sowtschick noch immer Hände schüttelte – ein Bus war erst durch – und gleichzeitig beobachtete, daß die ersten «Omas» bereits durch seinen Garten schlurften: Wieso er hier das Franzosenkraut so ungehindert wachsen läßt?, hörte er die Stimme des Goldkindes in seinem Studio Erklärungen abgeben, die von ziemlich weitgehender Identifikation zeugten.
Daß das Schreiben eines Buches mit der Tätigkeit eines Kapitäns zu vergleichen sei, hörte er sie ausrufen, Tiefgang, Kurs und Treibstoff, und die Senioren schmatzten mit den Lippen, an denen braune Kaffeespuren zu sehen waren. Alles mit der Hand zu schreiben kam ihnen kolossal vor.
«Und wie wird das Haus geheizt?» fragte ein Mann, der, wie man so sagt, schon den zweiten Gummi am Handstock hatte. «Hoffentlich wird die Aussicht nicht mal zugebaut, eines Tages…»
Gabrieles Antwort konnte niemand verstehen, weil ausgerechnet jetzt zwei Düsenjäger angedonnert kamen, die sich gegenseitig jagten.
«Haben Sie keine Angst vor Einbrechern?»
Die kräftige Adelheid stand an der Alleetür und sorgte dafür, daß der Ausgang nicht verstopfte: Wer draußen war, kam nicht wieder herein.
Aus dem Haus herausfließend, ergoß sich die Menschenflut in den Garten, die Allee hinab und in die Laube. Wie große geflügelte Ameisen wimmelten die Menschen durch den Park, und immer noch schüttelte Sowtschick Hände, während die Busfahrer aufs Pedal drückten und große blaue Dieselwolken ausstießen.
Spaniens Gitarren begleiten
die Liebe seit uralten Zeiten …
Die Mofa-Jugend kam knatternd herbei, und Landwirte stolperten über die Äcker: Das geht aber nicht, die schweren Busse, dafür ist die Straße nicht fest genug!
Zu allem Überfluß klingelte noch das Telefon, ein Herr von der Landesregierung wollte wissen, ob Sowtschick eine chinesische Schriftstellerdelegation empfangen würde?
«Chinesen? Immer. Aber keine Japaner, diese Walfischabschlachter !» ließ Sowtschick bestellen.
Bring all things to completely standstill, dachte er und drückte restliche Hände.
Allmählich nahm der Lärm ab, draußen unter freiem Himmel verloren sich die Stimmen. Die letzten Greise wurden instruiert, daß der Dichter alles mit der Hand schreibt und daß das Bauland hier nur eine Mark und fünfzig kostet. Adelheid schob auch die allerletzten in den Garten, wo sie herumstanden und auf eine Brotvermehrung warteten.
Grade wollte Adelheid die Alleetür abschließen, da schwabbte der Menschenstrom wieder zurück. Zwei übereifrige Landfrauen führten die Menge an. Wie in den «Webern» kamen sie auf breiter Front herbei und quetschten sich, Knöpfe lassend, in das Haus hinein. Sie hätten sich ja noch gar nicht verabschiedet, sagten sie, und ob Sowtschick als Dichter nicht mal eine Probe seines Schaffens zum besten geben könnte?
«Wo kann man Ihre Sachen buchmäßig erwerben?»
Die Menschheit floß ins Studio zurück, drehte die Hörgeräte auf und sah den Dichter erwartungsvoll an, und der Menschensohn stand unter ihnen. Er war ratlos, er konnte diesen Leuten doch nicht gut davon berichten, daß er jetzt im heißen Sommer an einem Winterroman schreibt … Schiefgewickelt, dachte er, ich bin schiefgewickelt, ich kann mich aufhängen mit meinem Roman, niemand wird ihn lesen, niemand braucht ihn. Es ist alles aus.
Da hatte er eine Idee. Er setzte sich ans Klavier, so wie er es sonst nur tat, wenn er Freunde zu Gast hatte, nachts, wenn die Wogen hochgingen. Er begann zu spielen, nicht den Schlager von dem Kapitän in der Badewanne, sondern das schöne Volkslied: «Am Brunnen vor dem Tore …» Die Alten mit ihren beigen und grünen Jacken, oh, die kannten das. Die sangen mit. Zunächst zaghaft, dann kreischend sangen die Frauen dieses Lied, das sie in einer Dorfschule gelernt haben mochten, und die Männer brummten dazu aus Herzensgrund. Sechs Strophen hat das schöne Lied, und die kannten sie alle.
Sowtschick war ein guter Begleiter, er gab das letzte her, er fühlte sich angerührt von den singenden Großvätern und Großmüttern: «Ich träumt in seinem Schatten so manchen süßen Traum …» Es ruckte in seiner Brust, so wie es immer ruckte in heroischen Momenten, wenn er riesige Hochspannungsmasten sah, zum Beispiel,
Weitere Kostenlose Bücher