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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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man so etwas schon mal zu sehen! In den abenteuerlichsten Dialekten erzählten sie einander, daß der Blitz hier eingeschlagen hat und daß der Bauer nicht zu Hause ist.

    Sowtschick und seine Mädchen erregten Aufmerksamkeit, man flüsterte den Fremden zu, dies sei der Schriftsteller Sowtschick, der öfter mal im Fernsehen zu sehen ist, und die Leute kamen und peilten ihn an. Eine aufs äußerste enthusiasmierte Frau drängte sich an ihn und sagte: «Das darf doch nicht wahr sein.» Sie hätte alle seine Bücher gelesen, aber, ehrlich gesagt, sie hätt ihn sich größer vorgestellt… Ob die Frau Bankleiter seine Frau sei, mochte sie sich fragen, und wie sie selbst ihn umsorgen würde, stellte sie sich vor.

    Die große Menge peilte mehr die beiden «Görls» an, die in ihren Pullis, rot und grün, recht fesch aussahen.

    Die Mädchen waren sichtlich stolz, daß Sowtschick hier von fremden Menschen und bei Nacht erkannt wurde. Ob der Bauer nun ganz arm wird, wollten sie wissen. Hier konnte sich der Schulmeister einschalten. Er wies auf Männer hin, die mit langen Stangen eine Wand einstießen: «Das machen die wegen der Schadensfeststellung», sagte er. Für jede stehengebliebene Wand zögen die Versicherungsmenschen nämlich Prozente ab. Deshalb stoppe er auch nicht das Fenstereinschmeißen durch die Jungs. Er machte ein schlaues Gesicht und fragte die Mädchen, ob sie wüßten, was «warm abbrechen» bedeutet, und er lachte dazu und stieß dem Bankleiter in die Seite. Das gebe es auch, daß ein Bauer, wenn ihm die Schulden über den Kopf wachsen, sein Gehöft «warm abbricht», und wieder stieß er den Bankleiter an, was dem nicht recht war.

    Der Pastor kraulte sich seinen blonden Mosesbart und sagte: Das traue er niemandem zu, daß er sein Haus selbst anzündet. Gott lasse sein nicht spotten. Zehn oder zwanzig Jahre nach einem solchen Betrug passiere dann irgend etwas, der Sohn verunfalle oder die Tochter gehe an Krebs zugrunde – und das würden sich die Eheleute, die so etwas täten, ihr Haus anzünden, dann zum Skrupel machen.

    In diesem Augenblick platzte der Putz vom Giebel: Ein Bild der Jungfrau Maria wurde freigelegt. Alle riefen: Ah! Doch schon Sekunden später krachte der Giebel zusammen. Die Schönheit war für immer dahin.

    E s hatte wieder angefangen zu regnen, es war ein sanfter Regen, so als wollte sich das Wetter für sein Wüten entschuldigen. Ein Teil der Dörfler verzog sich ins Wirtshaus, die erzählten einander, daß sie das gleich im Urin gehabt hätten, daß das hier einschlägt. Und in Rußland 1942, wie die Dörfer da gebrannt hatten, daran dachten die älteren Männer vielleicht.

    Auch Sowtschick machte Anstalten, das Feld zu räumen, den Mädchen war’s recht, hier war nun nichts mehr zu erwarten. Sie bezeichneten die ganze Angelegenheit als echt «fetzig», ja als «flockig», und bestiegen die Räder. Diesmal nahm das singende, springende Löwenheckerchen auf Sowtschicks Querstange Platz, und der freute sich darüber und beschloß, seine Nase in ihr Haar zu stecken.

    Leider hatten sie denselben Weg wie der Schulmeister, und da der zu Fuß gekommen war, mußten sie sofort wieder absteigen. Über den Bordstein stolpernd, redete der Schulmeister von der großen Eiche an der alten Mühle, daß da der Blitz schon dreimal und in die alte Mühle selbst schon viermal eingeschlagen habe, und von Wilhelm sin Willi, dessen herrlichen Hof, und daß nun mit dem Brand des «Fron-Hus» dem Dorf das Herz aus dem Leib gerissen sei.

    Sie näherten sich der Schule, und es war klar, daß er Sowtschick und die Seinen mit hineinziehen wollte in sein Haus, zu seiner Dreschflegel-Sammlung, zu übersüßem Sanddornsaft und zu Lotte, seiner kranken Frau. Er versperrte Sowtschick den Weg, stellte sich quer, so wie beim Viehtreiben, und sagte: «Na, wie wär’s? Kommen Sie noch auf einen Sprung mit rein?»

    Jetzt kamen die Mofa-Jünglinge angerast. Sie fuhren auf den Schulmeister los, so, als ob sie ihn übersegeln wollten. Und dabei hupten sie und machten den Mädchen ordinäre Zeichen. Sie wendeten und kamen wieder angerast, ja sie kreisten die vier regelrecht ein. Wieder und wieder stießen sie zu, und beim Wenden passierte es dann, daß einer ausrutschte mit seiner Maschine und bös hinfiel.

    «Da habt ihr’s!» rief der Schulmeister, «geschieht euch recht!»

    Auch Sowtschick rief irgend etwas in die Gegend: «Was soll das auch!» oder so was, und die Mädchen – wer den Schaden hat, braucht

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