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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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da die Gemeinde noch hätte blechen müssen, da wär das Ende von weg. Seine Gattin war derselben Meinung.

    Sowtschick stellte seine beiden Mädchen vor, «Eene Milljon hätt hei all full», dieser Spruch stand leuchtend über seinem Haupt. Er freute sich, daß er in der Woche zuvor durch eine größere Überweisung sein laufendes Konto wieder einmal ausgeglichen hatte. Er stellte sich vor, wie der Bankleiter seiner Frau das Kontoblatt zeigt und «alle Achtung» sagt oder so was Ähnliches, und daß er das als Kampf bezeichnete: «Sowtschick kämpft ganz schön.»

    Trotz des feurigen Wütens wurden Fragen nach dem gegenseitigen Befinden gestellt, die Hautevolee des Dorfes interessiere sich dafür, wie’s Michael geht und was Susi macht. «Hat sie denn schon mal ein Bild verkauft?»

    Der Bankleiter wollte wissen, wie es Sowtschicks Frau gehe. Was, die sei überhaupt nicht da? sagte er, obwohl er das doch wußte. Ganz allein nach Frankreich gefahren? «Was, Schatzi, das wär nichts für dich, wie?»

    Die Gattin mit der Feder am Hut bezeichnete die Konstellation in Sowtschicks Haus als «ja» sehr modern. Frau fährt weg, Mann bleibt hier. «Und ihr zwei beiden helft unserm Dichter schön?» Ob sie schon in Ausbildung seien und so weiter.

    Der Pastor teilte mit, daß er eine Nichte hat, die im Diakonischen Werk tätig ist, als Ärztin. In Kenia, Namibia, und wie das alles heißt, da sei sie schon überall gewesen. Gutes tun, Menschenleben retten, Zerstörung der Natur Einhalt gebieten. Donnerstag abend um zwanzig Uhr sei im Gemeindesaal ein Lichtbildervortrag über die Dritte Welt, er lade dazu herzlich ein. Dann berechnete er, wieviel Sauerstoff das brennende «Fron-Hus» aus der Luft nimmt, in Brasilien das Abholzen des Urwaldes und die Zerstörung des Planktons in den Weltmeeren durch auslaufendes Öl: Das Weltenende komme wahrscheinlich in Form des Erstickungstodes, wenn nicht durch eine Atomkatastrophe. «… Und der Himmel wird wegrollen wie ein Buch …» Daß das Löschwasser übrigens Trink wasser sei, schon bald nicht mehr mit Gold aufzuwiegen, fügte er hinzu.

    Der Bankleiter lachte sein geringschätzigstes Lächeln und sagte nur: «Theorie!» Das sei alles Theorie. Ob ihm das mal einer verklickern kann: Einerseits wird gesagt, die kriegen zuviel Kinder da unten, andererseits schicken sie Ärzte hin, um die Kindersterblichkeit abzuschaffen. Entwicklungshilfe! Daß er nicht lache …

    Sowtschick war traurig, daß das schöne Haus dahinsank. Die derben Schnitzereien am Giebel, nackte Gestalten, die dem Betrachter Fratzen schnitten oder gar das Hinterteil wiesen, jetzt wurden sie von den Flammen erreicht, und niemand hatte sie je fotografiert. Wie gut hätte diese Volkskunst, die im Kunstführer des Landes als originell eingestuft wurde, in seine Bibliothek gepaßt. Er beobachtete den Feuerfraß, vielleicht würde sich die Katastrophe ja auswerten lassen? In der «Winterreise» – Feuer als Schluß?

    Ob er selbst nach einer solchen Verheerung, wenn also sein eigenes Haus abbrenne, mit dem zweiundzwanzig Meter langen Büchergang und dem Studio, ob er dann noch einmal ganz von vorne anfange? fragte er sich. Alles wieder aufbauen? Taschentücher kaufen, Teppiche, Tassen und Teller? Achttausend Bücher?

    Nein. Er würde nach Portugal ausweichen zu den singenden Fischern am Meer. Jedenfalls würden vermutlich doppelt so viele Zuschauer kommen und dreimal soviel Feuerwehren und ein Feuerwehrhauptmann mit goldenen Tressen. Ganz zu schweigen von Fernsehteams und Journalisten, die über die Zäune steigen und ein Stück Regenrinne abbrechen, zur Erinnerung, und ihn fragen, was er in diesem Augenblick empfindet.

    Der Schulmeister bahnte sich den Weg durch die Mofa-Horde und begrüßte die großen Herrschaften mit aufgenötigtem Händedruck und fragte, ob Sowtschick sich durch diese Flammen hier zu neuem dichterischen Tun anregen lasse? Von sich selbst könne er das wohl sagen! «Wir zwei müssen uns mal zusammensetzen und die Beobachtungen austauschen …» Wie’s Michael geht und was Susi macht – «Gott, ich seh sie noch mit ihrer Pudelmütze» – und: «Was haben Sie denn hier?», das fragte er auch, und er guckte die beiden Mädchen an und reckte sich ein wenig. Daß er gleich sieht, wie gut erzogen die sind, sagte er, saubere Deerns!, nicht wie die hiesigen Halbstarken, verwahrlost und am Volkskörper schmarotzend. Maulschellen müsse man denen verpassen, und Hausaufgaben müßten sie aufkriegen, daß

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