Hundsvieh - Kriminalroman
Malojapass verließ, nachdem er den Hund umgeladen hatte. Aus dem gleichen Wagen ist letzte Nacht ein Kanister verschwunden. Mit dem Inhalt aus diesem Kanister wurde heute am frühen Morgen das Maiensäss von Reto Müller übergossen.
Der Wagen hält neben uns. Der Hund an meiner Seite knurrt leise, ich lege ihm die Hand auf den Kopf, um das Tier zu beruhigen. Der Motor des BMW verstummt. Im Inneren ist erst nur die Beleuchtung der Armaturen sichtbar, dann glaube ich, die Umrisse eines Mannes zu sehen. Der große Unbekannte. Max, bei dem Müller Spielschulden hat. Keller, der das Maiensäss angezündet hat, der die Bikes präparierte. Das Böse in einer Person.
Erst passiert gar nichts, dann dreht sich der Mann am Steuer um, er scheint uns einen Moment anzustarren. Kubashi hebt die Hand zu einem Gruß. Der Fahrer hebt ebenfalls kurz die Hand, legt sie dann auf den Türgriff. Doch er steigt nicht aus.
Stattdessen senkt sich mit einem leisen Summen die hintere Scheibe, langsam wird die lederne Rückbank sichtbar, eine farbige Wolldecke liegt über einem unförmigen Ding.
Eigentlich weiß ich, was jetzt passieren wird. Oder was passieren könnte. Dennoch krampft sich eine große Faust um meine Innereien, sucht sich ein einzelnes Organ, eine Darmschlaufe heraus, drückt seine spitzen Nägel hinein, bis mir übel wird. Gleichzeitig jagt mir ein Schauer über den Rücken, während ich heiße Ohren bekomme.
Eine Hand mit Lederhandschuh greift an die Decke des Wagens, die Innenbeleuchtung geht an, nun fassen die Finger nach der Wolldecke und ziehen sie langsam zur Seite. Der Kopf, der Rücken, das zottelige Fell mit dem metallenen Glanz, auf der Rückbank des Wagens steht … der Hund von Alberto Giacometti.
Die ganze Erbärmlichkeit der geschundenen Kreatur kommt zum Vorschein, dennoch strahlt die Skulptur Größe, Erhabenheit und Stolz des Einsamen aus. Gerade frage ich mich, wie ein Künstler so etwas Echtes erschaffen kann, da geht die Innenbeleuchtung wieder aus, dafür summt die vordere Fensterscheibe hinunter.
Der Fahrer wendet sich uns zu, er ist nicht zu erkennen, sein Gesicht liegt im Schatten. »Sind Sie mit der Lieferung zufrieden, Mister Kubashi?«
»Mit welcher Lieferung?«, fragt der Japaner höflich.
Der Fahrer deutet mit dem Daumen nach hinten zum Hund.
Kubashi bricht in ein schallendes Lachen aus. »Ein guter Scherz, ein wirklich guter Scherz!«
»Ich pflege nicht zu scherzen«, zischt der Fremde.
»Aber Sie haben Talent!«, Kubashi hat zu meiner Überraschung total die Fassung verloren, dabei war er doch immer so kontrolliert. »Der Hund von Giacometti, das ist ein sehr guter Scherz!«
»Was wollen Sie damit sagen?« Der Fahrer öffnet die Wagentür.
»Habe ich nicht gesagt, dass ich den Hund von Giacometti suche?«
Der Fremde setzt einen Fuß nach dem anderen aufs Pflaster. »Genau. Und der ist hier. Alberto Giacometti. Le chien. Das ist der Echte!«
»Was ist schon echt?«, erwidert Kubashi.
»Diese Skulptur stammt aus dem Kunstmuseum in Chur, mein Herr. Echter geht es nicht!«
Kubashi wird ernst. »Mein Freund Mettler hat bereits geliefert, ich brauche Ihren Hund nicht.«
Der Fahrer ist ausgestiegen und starrt Kubashi fassungslos an. Der unbekannte Max ist nicht Keller, sondern … Fritschi!
»Guten Abend, Herr Mettler, nett, Sie zu sehen. Scheinbar haben Sie unsere Radtour überlebt, auch gut. Vielleicht nützen Sie mir hier ja noch!«
»Dann haben Sie …?« Weiter komme ich nicht, ich schäme mich für meine Dummheit. Fritschi hat den Hund entwendet und dann die Polizei auf mich gehetzt. Und ich habe die ganze Zeit brav mitgespielt. Bravo Mettler! Was sagte Reto vorhin? Sein Geschäftspartner wollte einen Deppen fürs Museum? Da hatten sie den Richtigen gefunden.
»Wo ist das Geld, Kubashi, wo sind die ausgemachten 800.000?«
»800.000?« Wieder lacht der Japaner. »800.000 Franken? Wofür?«
Fritschi deutet auf die Plastik von Giacometti. »Wenn Sie nicht zahlen, ist der Hund weg.«
Verwirrt reibt sich Kubashi den Nacken. Was soll das, warum greift er nicht zu? Endlich hat er den gesuchten Hund in Griffweite, er braucht ihn nur zu nehmen, der Transport nach Japan sollte für einen Mann seines Formates kein Problem sein. Doch statt sich zu freuen, steht Kubashi da, als hätte man ihm eine Pizza belegt mit Seife angeboten.
»Was ist mit Ihnen? Ich will jetzt sofort 800.000 auf die Hand. Es gibt noch andere Interessenten.«
»Das muss ein Missverständnis sein, mein
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