Hundsvieh - Kriminalroman
Mechaniker.
Zurück in der Pension schenke ich mir ein großes Glas Wein ein und leere es in einem Zug, dem ersten lasse ich gleich noch ein zweites folgen. Ruhig schlafen, ich möchte nur tief und fest schlafen, was geht mich das alles an?
Immer wieder schrecke ich auf und horche in die Nacht hinaus, einmal scheint mir, als würde ich Schritte hören. Vielleicht, denke ich, ist Frau Caduff zurückgekommen. Oder Barbla. Endlich umhüllt mich dunkler Schlaf.
7.
Um sieben Uhr läutet mein Wecker. Ganz zerschlagen stehe ich auf und steige die Treppe hinunter.
»Frau Caduff?« Auf dem Tisch steht noch immer das Geschirr von gestern Abend, auf den Essensresten krabbeln ein paar Fliegen herum. Auch in der Küche ist nicht aufgeräumt, ungespülte Pfannen stehen auf dem Herd, auf der Ablage liegt ein großes Messer. Frau Caduff ist noch nicht zurück.
Wie in der Nacht verlasse ich die Pension Aurora durch den Hinterausgang und … Erschrocken lasse ich die klebrige Türfalle los. An der Türe hängt ein Huhn, Nägel sind durch die Flügel getrieben worden und mit Blut hat jemand ›SCHLAMPEN‹ aufs Holz gemalt. Nur weg, denke ich, einfach weg hier!
Der Weg führt mich durch die Wiesen, irgendwo muss ich mich übergeben, die unruhige Nacht, das Blut auf meinen Händen. Dies alles ist ohne eine Tasse Tee, oder wenn es sein muss, auch Kaffee – kaum zu ertragen. Nicht dass ich zart besaitet wäre, es ist nur einfach etwas viel im Moment, dabei müsste ich mich doch dringend erholen! In einem Bach wasche ich mir Hände und Gesicht. Dann taucht vor mir das Kurhaus auf, und mir wird wieder bewusst, warum ich in diesem Tal bin: Es geht nur um meinen Ausschlag, sage ich mir, und es geht um die Schwefelquellen, die ihn heilen können. Frau Caduff, Barbla und ihre Probleme mit der Polizei gehen mich wirklich nichts an.
Das Kurhaus ist ein stattlicher Bau, wenigstens aus der Ferne. Als ich näher komme, wird sichtbar, wie die Pracht bröckelt, wie die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat, große Teile des Putzes fehlen, die Läden hängen schief in den Angeln und die Fenster sind stumpf.
Eine große, schummrige Halle, die Luft zum Schneiden, es riecht nach Angst, nach Geschwüren und Eiter.
»Hier ist Ihre Kurkarte, Herr Mettler, die Badekabinen sind dort hinten.«
Die Frau im weißen Kittel an der Rezeption gibt mir den Schlüssel mit der Nummer 5, dazu schenkt sie mir ein staubtrockenes Lächeln. Ein langer, kahler Flur, rechts die Türen, die zu den einzelnen Kabinen führen. Ich schließe die 5 auf. Ein heller Raum mit einem großen Fenster, eine dampfende Wanne, schwefliger Geruch.
Langsam ziehe ich mich aus und steige vorsichtig in die Wanne. Das Wasser brennt wie Feuer an meinen aufgekratzten Beinen. »Ein Indianer kennt keinen Schmerz!« stöhne ich und setze mich in die Brühe.
»Ein guter Spruch, mein Herr, für einen Indianer sind Sie allerdings etwas zu bleich«, brummt jemand hinter mir und kichert.
»Wissen Sie«, sage ich zur Stimme, »Therapie habe ich mir bisher anders vorgestellt, irgendwie liebevoller, nicht wie das hier.«
Ein junger Mann mit einem Wuschelbart, ganz in weiß gekleidet, massig wie ein Bär – oder wie ein Psychiatriepfleger – stellt sich neben die Badewanne und verschränkt die Arme. »Anders?«
»Ja, wie in den Berichten über das Bäderleben in Bad Ragaz, in Baden-Baden, in Zurzach. Eine Kur mit gutem Essen, schönen Frauen und so …«
»Wie sind Sie versichert?«
»Spielt das eine Rolle?«
»Scheinbar schon.« Er zeigt auf die schäbigen Wände, auf die ausgebleichten Vorhänge, die blinden Fensterscheiben. Dann schaut er sich kopfschüttelnd den Ausschlag an meinen zerkratzten Beinen an. »Juckt es manchmal?«
Vorsichtig hebe ich mein Bein aus dem Wasser und zeige auf die Kratzspuren meiner Nägel. »Glauben Sie, dass dies Folterspuren sind?«
Er nimmt meine Kurkarte, die ich auf den Stuhl neben der Tür gelegt habe und studiert sie gründlich. »Sie wohnen in der Pension Aurora? Die ist doch noch geschlossen!«
»Kennen Sie Frau Caduff?«, frage ich zurück.
»Besser kenne ich Barbla.« Er geht hinüber zum Fenster und schaut hinaus.
»Sie meinen die Nichte?«
»Ja.« Der Bär dreht sich zu mir. »Wir sind zusammen in der ›Grünen Front‹. Wir setzen uns für den Umweltschutz ein, für die Erhaltung dieser wunderbaren Bergwelt. Damit Leute wie Sie hier noch lange Ferien machen können.« Seine Augen leuchten begeistert auf. Oder doch eher fanatisch?
»Mit
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