Hundsvieh - Kriminalroman
»Sind Sie der Pöstler mit dem Ausschlag?« Sie kichert. »Reiben Sie Ihre Beine immer wie ein Hund an fremden Gartenzäunen?«
Eine Viertelstunde später sitze ich bei Frau Caduff in der Wirtsstube.
»Eigentlich habe ich bis Juni geschlossen …«
»Mein Chef hat mir diese Pension genannt, hier sei es billiger als im Kurhaus.«
»Hat man Ihnen auch gesagt, wie die Spielregeln sind?«
»Spielregeln? Gibt es hier spezielle Spielregeln?«
»Oh ja, Herr Mettler, die gibt es.« Frau Caduff holt eine Flasche Wein und zwei Gläser. »Am Morgen bekommen Sie von mir ein wunderbares Frühstück, danach gehen Sie ins Kurhaus, baden und ruhen sich aus, um elf Uhr erwarte ich Sie wieder hier.«
»Ich weiß nicht, ob ich so früh zu Mittag essen mag.«
»Nicht zum Essen, Herr Mettler.« Frau Caduff schenkt die Gläser voll. »Die Abmachung mit Ihrem Chef lautet, dass ich Sie unentgeltlich bewirte, dass Sie mir aber als Hilfe zur Verfügung stehen, damit ich die Pension termingerecht eröffnen kann. Ist das ein Angebot?« Sie hebt ihr Glas.
»Was erwarten Sie von mir?« Ich schaue auf die Uhr, das Postauto in die Freiheit fährt in wenigen Minuten, noch kann ich verschwinden.
»Sie haben den Garten gesehen, Mettler, es gibt einiges zu tun. Einverstanden?«
Meine Beine unter dem Tisch jucken abscheulich. St. Moritz oder Innerpers. Habe ich überhaupt eine Wahl?
Langsam hebe ich das Glas. »Zum Wohl, Chefin!«
»Heute verwöhne ich Sie noch, Herr Mettler, morgen weht dann ein anderer Wind.« Frau Caduff wischt lachend den Tisch ab. »Kommen Sie, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«
Eine steile Treppe führt hinauf ins erste Stockwerk. »Hier ist das Bad, dort drüben finden Sie Ihr Zimmer.« Sie schließt auf. Ein Bett, ein kleiner Tisch, ein Schrank, alles sehr einfach. Das Beste ist die Aussicht, ich sehe das weiße Kurhaus, eine kleine Ebene und dahinter die steilen Wände, die das Tal abschließen, darüber den Gletscher und den Gipfel des Piz Pers.
»Gefällt es Ihnen?« Ohne meine Antwort abzuwarten, dreht sie sich um und lässt mich alleine. Ich versorge meine paar Sachen im Schrank und stelle mich dann unter die Dusche. Lange lasse ich das heiße Wasser über meine wunden Beine laufen, bis der Schmerz den Juckreiz betäubt.
Die Reise, der Wein, die heiße Dusche, all das macht mich schläfrig, so lege ich mich aufs Bett, lasse die Luft meine Beine umspielen und träume mich in die Arme von Mona.
5.
Ein lauter Wortwechsel weckt mich. Draußen ist es dunkel geworden. Erst habe ich Mühe, mich in diesem fremden Zimmer zurecht zu finden. Gedanken wirbeln durch meinen Kopf. Die Post, Raselli, Mona, die Pension Aurora, das Val Pers, das Heilbad, schwefelhaltiges Wasser, mein Ausschlag, langsam bringe ich alles zusammen.
Zwei Stimmen dringen bis zu mir in meine Kammer herauf, eine tiefe und eine zweite, etwas höhere, die aufgeregt wirkt. Angestrengt horche ich, doch es ist nichts zu verstehen. Schnell ziehe ich meine Jeans an und schlüpfe in die Schuhe. Möglichst leise steige ich die steile Treppe hinunter und bleibe unschlüssig vor der Wirtsstube stehen.
Durch die Wand dringt eine engagierte Frauenstimme bis zu mir. »Und ich sage dir, dass Anna schon lange zurück sein sollte, sicher ist ihr etwas zugestoßen!«
»Mach dir keine Sorgen, die kommt schon wieder, wir sprechen später darüber.« Man hört Stühle, die verschoben werden. Dann öffnet Frau Caduff die Türe der Wirtsstube. »Ah, Herr Mettler, ich wollte Sie eben rufen, das Essen ist fertig, kommen Sie.«
Sie führt mich hinein, an einem gedeckten Tisch sitzt eine junge Frau mit kurzen Haaren, die Jeans und ein beiges Leinenhemd trägt. Sie schaut mich abweisend an.
»Darf ich vorstellen, das ist meine Nichte Barbla, sie arbeitet manchmal hier in der Pension. Barbla, das ist Herr Mettler.«
Die junge Frau schaut kaum auf, als ich mich setze, erst als Frau Caduff hinausgeht, um das Essen zu holen, hebt sie den Kopf. »Machos können wir hier keine gebrauchen, verstanden? Das nächste Mal will ich die Dusche sauber und ohne Haare im Ablauf übernehmen, und beim Pinkeln sitzt man in diesem Haus, kapiert?«
Frau Caduff rettet mich, sie bringt eine wunderbar dekorierte Platte herein, Rehschnitzel, Rotkraut, Spätzli. Sie füllt unsere Teller randvoll, wir heben die Gläser und essen dann schweigend.
»Na, wie schmeckt euch das?«
Das Essen ist wirklich ausgezeichnet. Und es hat einen Vorteil: Barbla hält den Mund. Langsam kaue ich, gebe mich ganz
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