Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
eifersüchtig sein!»
«Natürlich bin ich eifersüchtig auf ihn. Ganz einfach, weil er mit dir Cappuccino trinken kann und ich nicht. Was ist mit den Fröschen?»
«Das ist eine andere Geschichte. Die kann ich dir nicht am Telefon erzählen. Aber der Obdachlose ist ein Philosoph, Existenzialist im weitesten Sinn.»
«Bene.»
«Sì, bene!»
«Du hast nicht zufällig einen Schwips?»
«Nein, viel zu heiß für Alkohol.»
«Was ist dann los?»
«Ich grabe alte Geschichten aus, und die stinken. Außerdem weiß ich nicht genau, was ich mit diesen Geschichten machen soll. Darüber möchte ich in Ruhe mit dir reden – aber nicht auf dem Klo vom Aglioe Olio. Kannst du mich später anrufen?»
«Alle nove?»
«Alle nove. Ciao, Angelo.»
«Ciao, amore.»
Als Commissario Guerrini zu seinen Kollegen und Freunden zurückkehrte, fühlte er sich ein wenig deprimiert, sogar ärgerlich. Das Gespräch mit Laura hatte ihn unruhig gemacht. Natürlich – er besaß viel Sinn für absurde Dialoge, und sie hatte wirklich ein Talent dafür. Aber dieses Telefonat war anders gewesen. Hinter ihren Worten steckte mehr als nur die Lust an bizarren Sätzen. Am liebsten wäre er sofort losgefahren, um sie zu sehen. Aber sie würde ärgerlich werden. Wenn sie ihn brauchte, würde sie ihn rufen. Oder? Er wusste es nicht. Hoffte es nur. Vielleicht brauchte sie ihn auch nicht. Er konnte nicht fahren, ehe sie ihn nicht darum bat. Bisher hatte sie ihn noch nie darum gebeten.
Brauchte er sie? Er ließ seinen Blick über den kleinen Platz vor dem Lokal wandern, nahm die bunten Fahnen an den Häusern wahr, die alte Dame mit dem Pekinesen, die beide vor Hitze kaum Luft bekamen. Er schaute auf all die schwatzenden, gestikulierenden Menschen an den Tischen vor dem Restaurant. Tommasini winkte ihm zu, wies auf die Schüssel mit fagioli con tonno , die der Kellner in Guerrinis Abwesenheit auf den Tisch gestellt hatte. In Gedanken setzte Guerrini Laura zwischen den Sergente und Dottor Salvia. Sie würde sehr gut in diese Runde passen, und es wäre gut, zu ihr hinzuschauen, ihr zuzulachen. Salvia würde mit ihr flirten, und sie würde ein bisschen mitmachen, um zu kaschieren, dass sie die Geliebte des Commissarios war – oder weil sie überhaupt gern flirtete. Er würde ein bisschen eifersüchtig werden und gleichzeitig stolz auf sie sein.
Aber es ging auch ohne sie. Vor ihrem Anruf hatte er nicht an sie gedacht, sondern mit dem Gerichtsmediziner über die neuesten politischen Skandale in Italien diskutiert. Über den wahnwitzigen Wahlbetrug in Palermo, wo manche Menschen ihre Stimme für ein Handy oder ein paar Packungen Pasta verkauften. Es machte Spaß, mit Salvia zu reden.
Auf dem Weg zum Restaurant hatte Guerrini allerdings an Laura gedacht, weil er mit ihr zum ersten Mal im Aglio e Olio gegessen hatte. Vor etwas mehr als zwei Monaten, ganz zu Beginn der Hitzewelle. Damals hatten sie gemeinsam an dem höchst unklaren Fall des deutschen Schriftstellers Giorgio Altlander gearbeitet, der tot in seinem Landhaus bei Siena aufgefunden worden war. Noch jetzt empfand Guerrini so etwas wie ein Triumphgefühl, dass er es geschafft hatte, Laura als Ermittlungshilfe anzufordern und auch zu bekommen. Aber den Fall Altlander hatten sie nur höchst unbefriedigend gelöst. Eigentlich gar nicht, wenn er ehrlich war. Altlanders Tod wurde inzwischen offiziell zum Selbstmord durch Lachgas erklärt. Aber je länger Guerrini darüber nachdachte, desto weniger glaubte er an einen Selbstmord.
Altlander hatte eine Menge Material über die Verstrickung der China-Mafia mit der italienischen Modeindustrie zusammengetragen. Ganz besonders über eine Firma namens Moda più alta, die wiederum einem Schulfreund von Guerrini gehört hatte. Einem, der früher Revolutionär gewesen und dann zum Kapitalisten mutiert war und sich vor Guerrinis Augen erschoss, als dieser ihm unangenehme Fragen stellte: Paolo Montelli. Der mit den lustigen Augen, wie Guerrinis Vater ihn genannt hatte.
Ein ehemaliger Lebensgefährte Altlanders hatte dieses Material über Montelli und seine Firma auf einer Festplatte gespeichert und der Polizei übergeben. Der schöne Engel, Raffaele Piovene, ebenfalls Dichter, wohnhaft in Rom und seit vielen Jahren von Altlander getrennt. Seither laborierte die Finanzpolizei an der Festplatte herum, vielleicht auch die Anti-Mafia – behutsam vermutlich, wie Guerrini den Laden so kannte. Man wollte schließlich die italienische Modebranche nicht in
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