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Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall

Titel: Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Mayall
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Übelkeit zurückkehren, die sie glaubte, überwunden zu haben. Sie steckte die Rede in Geuthers Akte zurück, stand auf und ging ein paarmal in ihrem Zimmer auf und ab.
    Da wurde eine Generation übersprungen, dachte sie. Großvater Nazi, Eltern traumatisiert und vermutlich sprachlos, wertneutral, und der Sohn, beziehungsweise Enkel, lebt das Verdrängte wieder aus. Die dunkle Seite, der Schatten, das war es doch, was sie an ihrem Beruf so interessierte, oder etwa nicht?
    «Aber ich habe absolut keine Lust, mich immer wieder mit diesem speziellen Schatten rumzuschlagen!», murmelte sie. «Mit allen anderen Schatten gern, aber nicht ausgerechnet mit diesem. Und schon gar nicht bei dieser Hitze! Da kann ich meinem Chef nur zustimmen!»
    Wieder fühlte sie diese merkwürdige Verlorenheit, hätte jetzt gern mit Peter Baumann über den Fall gesprochen, aber er war bereits gegangen, und anrufen wollte sie ihn nicht. Florian Bader und Ines Braun würden auch an diesem Abend die «Schwabinger Stürmer» beobachten, falls sie auftauchten. Nicht, dass es bisher viel gebracht hätte. Nicht mal den Mord an Benno hatten sie verhindern können.
    Laura schloss die Akte Michael Geuther in ihren Schreibtisch ein und machte sich auf den Weg nach Hause. Als sie den Autoschlüssel aus ihrem Rucksack nahm, fiel die Einkaufsliste ihrer Nachbarin heraus. Kurz nach sieben, sie würde also noch einen Supermarkt in Haidhausen erreichen. Es war gut, etwas so Konkretes zu tun, wie für eine alte Nachbarin einzukaufen. Alles andere erschien ihr gerade außerhalb der Wirklichkeit. Sie hatte auch keine Lust mehr, nach Ralf zu suchen. Wenn er sich dieser gefährlichen Situation aussetzte, obwohl sie ihm Schutz angeboten hatte, dann fühlte sie sich nicht mehr verantwortlich. Aber natürlich stimmte das nicht, dafür dachte sie viel zu oft an ihn.

COMMISSARIO GUERRINI saß gemeinsam mit seinem Vater vor dem Fernseher im Wohnzimmer. Das Telegiornale lief, die Nachrichtensendung der RAI. Im Süden, in der Mitte Italiens und auf den Inseln brannte es. Es brannte auch in der Maremma, in den Marche und in Ligurien, brannte in Südfrankreich und Spanien, in Griechenland, Albanien, Kroatien und Bulgarien. Rauchwolken schienen aus dem Fernsehapparat zu dringen, Bilder ausgebrannter Campingplätze, explodierender Autos, flüchtender Menschen und ratloser Feuerwehrleute zogen vorüber.
    «Porco dio!», brüllte der alte Guerrini und schaltete den Fernseher aus. «Ich habe keine Lust, mir das anzusehen! Ich könnte explodieren, wie diese Autos. Ich habe sogar schon angefangen zu beten, dass die Wälder am Monte Amiata verschont werden. Wenn die brennen, dann sterbe ich, Angelo, das kannst du mir glauben. Entweder sterbe ich, oder ich laufe Amok!»
    «D’accordo. Aber ich würde trotzdem gern die Nachrichten sehen!»
    «Und was hast du davon? Depressionen bekommst du von den Nachrichten! Seit ich mich erinnern kann, bekomme ich Depressionen von den Nachrichten. Depressionen oder Wutanfälle. Gut geht es mir nur, wenn ich nicht Radio höre und nicht fernsehe. Weißt du, was einer von den Brandstiftern gesagt hat? Einer von denen, die Wälder anzünden? Er hat gesagt, dass es sein Hobby ist. Und ein anderer hat gesagt, dass er Arbeit braucht und sich um eine Stelle bei der Wiederaufforstung bewerben will. Hast du das gehört, Angelo?!» Der alte Guerrini rang aufgebracht die Hände.
    «Ja, ich habe es gehört!»
    «Weißt du, was die machen? Sie binden einem Hund einen Lappen an den Schwanz, tränken ihn mit Benzin und zünden ihn an. Das arme Vieh rennt dann wie irr durch den Wald und zündet alles an. Weißt du, was ich für Anwandlungen bekomme, wenn ich so was höre? Solche Kerle würde ich gern an einen Baum binden und …!»
    «Ja, ich weiß, was du gern tätest! Aber das ist Mord.»
    «Und was ist das, was diese Kriminellen machen, die Mafia und die Gehirnamputierten?»
    «Das ist ebenfalls ein Verbrechen!»
    «Und warum regst du dich dann nicht auf? Warum sitzt du da, als wärst du ein alter Mann? Warum tust du nichts dagegen, dass Idioten den Wald anzünden?»
    «Ich rege mich auf, aber ich kann nichts dagegen machen!»
    «Und warum nicht? Du bist bei der Polizei, warum kann die Polizei nicht ausnahmsweise etwas Nützliches tun?»
    «Ich bin für Morde zuständig und nicht für Brandstifter.»
    «Aber das sind Mörder, Angelo! Sie bringen die Bäume um! Auf Menschen kann man leichter verzichten als auf Bäume, lass dir das von deinem alten Vater

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