Hundszeiten: Laura Gottbergs fünfter Fall
sagen, auch wenn es dir nicht gefällt! Ohne Wälder wird dieses Land zur Wüste, dann können wir alle nach Australien auswandern, aber da ist es auch nicht besser!» Fernando Guerrini knallte seine rechte Faust in die offene linke Hand. Tonino bellte zweimal und kratzte sich heftig.
«Ich stimme dir in fast allem zu, aber trotzdem würde ich gern den Rest der Nachrichten sehen!»
«Was willst du sehen, sag’s mir, was? Die dummen Sprüche unserer Politiker zur ernsten Lage in unserem Land? Oder wieder ein paar Selbstmordanschläge im Irak? Willst du das sehen, Angelo? Komm lieber in die Küche und trink ein Glas Wein mit mir. Ich habe heute Nachmittag eine Schüssel panzanella gemacht, die isst du doch so gern, und bei dieser Hitze ist Brotsalat genau das Richtige.»
«Santa Caterina, wenn wir in Frieden zusammenleben wollen, dann machen wir jetzt Folgendes: Ich schaue mir die Nachrichten an, und du gehst in die Küche und bereitest den Wein und die panzanella vor. Danach können wir uns in Ruhe weiter unterhalten.»
Der alte Guerrini zuckte die Achseln, grummelte ein bisschen, nahm den Kompromiss aber offenbar an, denn er verschwand samt Tonino aus dem Wohnzimmer.
Der Commissario schaltete den Fernseher wieder ein und erwischte noch einen halben Satz von Präsident Bush, den er nicht genau einordnen konnte, auch sein Lächeln mit heruntergezogenen Mundwinkeln nicht, aber der Präsident lächelte sowieso immer und mit heruntergezogenen Mundwinkeln, ganz egal, ob er etwas Ernstes oder etwas Positives sagte. Dann kam Sport und der Wetterbericht. Das Gewitter der letzten Nacht war offensichtlich nur ein Zwischenspiel gewesen. Die nächste Hitzewelle rollte bereits aus Nordafrika heran.
Guerrini sah auf die Uhr. Halb neun. Ich werde jetzt mit meinem Vater essen, ein Glas Wein trinken und dann Laura anrufen, dachte er. Am liebsten würde ich sie gleich anrufen, aber das kann ich meinem Vater nicht antun.
Als Guerrini die Küche betrat, blieb er gerührt stehen. Sein Vater hatte – trotz der Hitze – zwei dicke Kerzen angezündet und den Tisch gedeckt. Der Brotsalat sah köstlich aus, und die Karaffe mit Rotwein funkelte im Kerzenlicht.
«Allora! Siediti!», rief Fernando Guerrini und machte eine ausholende Geste, als wollte er seinem Sohn die ganze Küche zu Füßen legen. Angelo bedankte sich und probierte den Salat gleich aus der Schüssel. «Delizioso, papà, die panzanella schmeckt noch besser, als ich sie in Erinnerung hatte.»
«Das liegt an den Tomaten und dem Basilikum. In diesem Jahr sind die Tomaten zuckersüß, weil dauernd die Sonne scheint. Und das Basilikum ist ganz frisch gepflückt und hat den vollen Duft. Wächst alles auf der Terrasse und im Garten. Es ist ein Jammer, dass du unterm Dach wohnst und keinen Garten hast.»
«Wenn ich in deinem Alter bin, dann habe ich vielleicht einen. Aber jetzt sind andere Dinge dran. Erzähl mir bitte nicht, dass du in meinem Alter Tomaten und Basilikum angepflanzt hast!»
Der alte Guerrini hörte einen Moment lang auf zu kauen und starrte seinen Sohn nachdenklich an. «Du hast recht. Das habe ich ganz vergessen. Seltsam, wenn man älter wird, denkt man, dass man sein ganzes Leben lang gescheit war! Aber das stimmt natürlich nicht! Mit achtundvierzig war ich noch ein ziemlicher Trottel.»
«Grazie.»
«Ich habe damit nicht gemeint, dass du ein Trottel bist, ein Commissario kann gar kein Trottel sein!»
«Natürlich kann ein Commissario ein Trottel sein, und du weißt das ganz genau, Vater. Was also ist der tiefere Sinn deiner Attacken?»
Fernando Guerrini trank einen großen Schluck Wein, stellte sorgsam das Glas auf den Tisch und kratzte sich am linken Ohr. «Ach, nichts Spezielles, mich regen nur ganz viele Dinge auf in letzter Zeit. Ganz besonders diese Waldbrände. Und dass sie die ganze Landschaft zubauen. Unsere toskanische Landschaft; wenn du in die Gegend von Lucca oder Pisa fährst, ist ja schon fast nichts mehr davon übrig. Hast du schon das Neueste gehört? Sie wollen einen Flughafen für Siena bauen! Einen Flughafen! Dabei gibt es nichts Schöneres, als ganz langsam über die Hügel mit dem Zug anzukommen, oder meinetwegen mit dem Auto. Wer will denn mit dem Flugzeug nach Siena? Das können nur Vollidioten oder Kriminelle sein, solche, die auch Wälder anzünden! Mich macht das so wütend, dass ich gar keinen Appetit mehr habe!» Mit einer heftigen Bewegung schob er den Teller von sich weg.
«Du solltest einer Bürgerinitiative
Weitere Kostenlose Bücher