Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Hunkelers erster Fall - Silberkiesel

Titel: Hunkelers erster Fall - Silberkiesel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Schneider
Vom Netzwerk:
das Schaben, das Bürsten und Gurgeln. Als sinnlos empfand er das, als ersten Schritt in die freiwillig gewählte alltägliche Sklaverei.
    Heute verrichtete er das alles sorgfältig, mit Liebe zu sich selbst, wie ihm schien. Und er betupfte sich das glattrasierte Kinn mit dem sündhaft teuren Eau des Lilas, das ihm Hedwig aus Paris mitgebracht hatte.
    Er fühlte sich gut. Und er wusste auch, warum. Nicht nur dass er lange geschlafen hatte, gab ihm dieses gute Gefühl. Vielmehr freute ihn, dass es ihm wieder einmal gelungen war, den Wecker nicht zu hören und eine Stunde über die geplante Zeit hinaus zu schlafen. Er war also noch keine Maschine, durfte noch hoffen auf menschliche Unzulänglichkeit.
    Zudem hatte er wieder einmal seinen Kropf geleert, ansatzlos, unüberlegt, gründlich. Er hatte die Zeit der Scham, der Selbstbezichtigung am Morgen danach, der untertänigsten Entschuldigung per Telefon längst hinter sich. Er wusste, dass es besser war, Schimpfwörter auszuteilen und im Zweifelsfall einem debilen Arschloch sogar handgreiflich an die Gurgel zu fahren, als jeden Ärger hinunterzuschlucken. Macht kaputt, was euch kaputtmacht! Diesen Slogan hatte er sich ein für alle Mal hinter die Ohren geschrieben. Raus mit der Sprache, raus mit der Wut, raus an die frische Luft, sonst geht der Ärger an deine Leber. Aber immer schaffte man es eben nicht. Man wurde älter, man wurde zahm, die Eckzähne wurden stumpf und fielen einem aus dem Mund, man hockte da mit eingefallenen Lippen und schwieg.
    Er trank im Stehen drei Tassen Tee. Als er das Treppenhaus hinunterstieg, versuchte er, Django vom Modern Jazz Quartet nachzupfeifen. Sanfte, schöne Töne.
    Er parkte vor dem Lohnhof.
    Im Büro saß Schneeberger und las die Zeitung. Er blickte kurz auf, schaute dann auf seine Uhr und las weiter.
    Hunkeler setzte sich, zündete sich eine an und wartete.
    Nach einer Weile sagte Schneeberger beiläufig: »Haller hat angerufen. Erdogan Civil ist um halb drei Uhr zur Arbeit gefahren. Wasseralarm.«
    »Und Kayat?«
    »Ach so, Kayat.« Schneeberger machte es spannend, wie immer, wenn er etwas herausgefunden hatte. »Kayat hat einen neuen Namen. Er heißt jetzt Assad Harif und ist Syrer. Er hat bis gestern Nachmittag 15 Uhr im Hotel Rochat logiert und ist dann ausgeflogen. Wohin, wissen wir nicht.«
    »Hotel Rochat? Das sind ja keine fünfhundert Meter vom Drei Könige entfernt.«
    »Genau deshalb haben wir ihn so spät gefunden«, dozierte Schneeberger, »weil wir gedacht haben, der verdrückt sich möglichst weit weg.«
    Hunkeler erhob sich, stellte sich ans Fenster und schaute zum Ahorn hinüber. Die drei Krähen saßen dort, glänzend schwarz.
    »Dieser Kerl tanzt uns ganz schön auf der Nase herum«, sagte er, »und das mag ich nicht. Hat er jemanden angerufen?«
    Schneeberger schüttelte tadelnd den Kopf. »Meinst du, er sei blöd?«
    »Nein.«
    »Es gibt im Rochat unten in der Halle einen Telefonautomaten. Von dort aus hat er mehrmals angerufen.«
    Hunkeler nickte. Das hatte er sich gedacht.
    »Als ich im Drei Könige saß«, berichtete Schneeberger, »am Dienstagnachmittag, kurz vor 16 Uhr, fuhr draußen ein Taxi vor, aus dem eine sehr schöne, junge Dame stieg, die einen Mantel aus Leopardenimitation trug. Der war reichlich kurz für diese Jahreszeit, was verständlich war, denn sie hatte sehr schöne Beine.«
    »Was war das für ein Taxi?«
    »Das weiß ich nicht mehr. Hingegen weiß ich noch, dass sie dem Uniformmann an der Drehtür einen gelben Umschlag abgegeben hat.«
    Er faltete die Zeitung zusammen und strich sie auf dem Tisch glatt. Er war und blieb ein kleiner, mickriger Pedant.
    »Und?«, fragte Hunkeler.
    »Ich erzähle das nur, weil die Person, die Herrn Kayat gestern Nachmittag im Hotel Rochat abgeholt hat, scheint’s eine sehr schöne junge Dame war, die einen reichlich kurzen Mantel aus Leopardenimitation trug. Das ist dem Concierge aufgefallen wegen der schönen Beine.«
    »Was ist dem Concierge sonst noch aufgefallen?«
    »Leider nichts. Er hat keine Ahnung, was die beiden draußen gemacht haben, ob sie zum Beispiel in ein Auto gestiegen oder zu Fuß weggegangen sind.«
    Hunkeler trat zum Tisch und strich sanft über das Buchenholz. »Und die Nummer des Taxis vor dem Drei Könige hast du also nicht?«, fragte er.
    »Ich weiß nicht einmal die Taxifirma. Ich kann mir ja auch nicht alles merken.«
    »Immerhin hast du dir Mantel und Beine gemerkt. Bravo.«
    Schneeberger ging souverän darüber hinweg. »Ich

Weitere Kostenlose Bücher